Fatales Vermächtnis
gewickelt...«
Vahidin sah das rote Mal am Hals des Neugeborenen. Keine Nabelschnur würde sich ohne Zutun mit solcher Macht zuziehen.
»Ihr habt es umgebracht!«, grollte er und richtete sich auf. Er zog das Schwert. »Ihr habt meinen Sohn umgebracht!«
»Es war eine Missgeburt!«, schrie die Mutter ihn an. »Ein dämonisches Wesen wie sein Vater! Es durfte nicht lebe...«
Vahidin machte einen großen Schritt und schlug zu. Die Schneide färbte sich mit einem Fauchen schwarz. Der vordere Teil der Klinge fuhr durch die hölzerne Seitenwand des Bettgestells hinter der jungen Frau und zerteilte es, als bestünde es aus Papier, die Mitte trennte ihr den Kopf von den Schultern. Das abgeschnittene Holz fiel auf den Leichnam und drückte ihn nach vorn. Polternd stürzte der Torso auf den Boden; die Hebammen schrien ihr Entsetzen hinaus.
»Schweigt, Weiber!«, herrschte Vahidin sie an und richtete die Waffe drohend gegen sie. »Ihr werdet zu jeder Mutter gehen und ihr sagen, was ich mit denen mache, die es wagen, meinen Kindern etwas anzutun. Das Leben meiner Nachkommen ist tausendmal mehr wert als jedes gewöhnliche.« Er senkte das Schwert. »Wird noch eines sterben, rotte ich das gesamte Dorf aus, und ich werde mir dabei Zeit lassen. Keine Grausamkeit, die Brojaken oder Räuber an euch begangen haben, wird ausreichen, damit ihr euch ausmalen könntet, wozu ich in der Lage bin.« Er trat zur Seite und deutete auf die Tür.
»Hinaus mit euch. Sorgt dafür, dass die anderen Kinder munter sind, wenn ich sie mir anschauen komme.«
Die Hebammen stolperten weinend aus der Kammer.
Vahidin strich sich die silbernen Haarsträhnen aus dem Gesicht, stieg dabei über die Wanne mit dem toten Neugeborenen und über den Frauenleichnam hinweg. Er hatte das Interesse an ihnen verloren. Es war ärgerlich, doch gleichzeitig schalt er mit sich selbst, dass er die Handlung der Frauen nicht hatte vorhersehen können. Das war umso unerfreulicher, weil er annahm, dass es einige Missgeburten und unverschuldete Todesfälle geben würde. Das Erbe seines Vaters, einer der Zweiten Götter, ging nicht mit jeder Frau
friedlich um. Es konnte durchaus zu ihrem Tod führen oder ein
Wesen entstehen lassen, das entstellt und lebensuntüchtig war.
Auch diese Nachkommen wusste er nicht zu gebrauchen. Seine künftigen Mitstreiter mussten vollkommen sein. Vollkommen
wie ihr Vater und Großvater.
Vahidin verließ die Hütte und blieb vor der Tür stehen. Die Handvoll Tzulani unter Lukaschuks Führung waren ihm gute Verbündete. Zusammen mit den Modrak, die rabengleich auf den Dächern saßen, kontrollierte er das Dorf vollständig. Niemand entkam ihm. Vahidin sah, dass sich Lukaschuk mit einer der Wachen unterhielt und sich daraufhin auf ihn zubewegte. Der Hohepriester Tzulans trug einen knielangen dunkelbraunen Mantel, darunter lag ein eiserner Brustharnisch verborgen. Er hatte die Mitte Vierzig erreicht und zu Aljaschas Gespielen gehört; zum einen, weil er ein attraktiver Mann war, zum anderen, weil sie ihn als Verbündeten benötigt hatte. Sein Gesicht wirkte besorgt.
»Schlechte Kunde, Lukaschuk?«, sprach Vahidin ihn an und bemerkte, dass sich feine Wassertröpfchen in dessen Oberlippenbart verfangen hatten. »Noch mehr tote Kinder?«
Der Mann verneinte und verneigte sich. »Die Modrak haben uns gemeldet, dass sich ein Trupp Bewaffneter auf das Dorf zubewegt. Allem Anschein nach handelt es sich dabei um Offizielle. Sie tragen borasgotanische Uniformen, ein halbes Dutzend Soldaten zu Pferd und zwei Schlitten.«
»Wahrscheinlich Steuereintreiber oder Boten des Gouverneurs.« Vahidin lehnte sich an die Hauswand. »Wir werden ihnen ein kleines Stück vorspielen.«
»Ich hielte einen Rückzug für besser.«
»Wir haben zu viele Schwangere, die meine Nachkommen in sich tragen und die ich nicht alleinlassen möchte. Ich bin ein stolzer Vater«, entgegnete Vahidin böse lächelnd. »Ordne an, dass die Männer von der Straße verschwinden. Ein paar von ihnen sollen ihre Mäntel gegen Kleidung der Dörfler tauschen und sich als Bewohner ausgeben. Die Modrak werden sich in die Häuser zurückziehen und meine ungeborenen Kinder bewachen. Danach schicken wir den Bürgermeister nach draußen.« Vahidin sah zum Himmel, der aufklarte und ihnen einen kalten, aber nicht mehr eisigen Tag versprach. »Umbringen können wir diese Delegation immer noch, falls etwas schiefgehen sollte. Aber zuerst lassen wir sie im Glauben, dass sich in Kulscazk alles zum
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