Fauler Zauber
von seinem Großvater in sich. Einen Fingerhut voll.
Er reichte mir einen Humpen, und ich machte mich sofort drüber her. Um mir zu zeigen, wie demokratisch er eingestellt war, schlabberte er selbst den Schaum von einem anderen allerdings kleineren Humpen. »Warum wollten Sie mit mir reden, Mr. Garrett? Ambers Erklärungen waren nicht besonders aufschlußreich.«
»Ich will nur meine berufliche Neugier befriedigen. Ihre Entführung war das ungewöhnlichste Kidnapping, das ich jemals erlebt habe. Aus reinem Eigeninteresse würde ich gerne mehr über das ganze Drumherum erfahren, falls ich jemals vor einer ähnlichen Situation stehen sollte. Der Erfolg der Kidnapper könnte jemanden dazu anstiften, dieselbe Nummer noch mal zu probieren.«
Karl fühlte sich nicht wohl. Er pflanzte sich auf einen Stuhl, umfaßte mit beiden Händen den Krug und drückte ihn fest in den Schoß, um ihn zu stützen. Wahrscheinlich hoffte er, mir würde sein Zittern entgehen. Ich ließ ihn in dem Glauben, mich getäuscht zu haben.
»Aber was kann ich Ihnen schon Nützliches erzählen, Mr. Garrett?«
»Alles könnte nützlich sein. Fangen Sie einfach vorn an. Wo und wie Sie den Leuten in die Hände gefallen sind. Schildern Sie alles haarklein. Bis dahin, wie man Sie freigelassen hat. Ich werde Sie nur unterbrechen, wenn ich Schwierigkeiten habe, Ihnen zu folgen. Einverstanden?« Ich nahm einen tiefen Zug. »Gute Plörre.«
Karl nickte und trank auch einen Schluck. Amber schlenderte zum Tablett. Karl hatte ihr zwar einen Becher Wein mitgebracht, sich aber nicht die Mühe gemacht, ihn ihr auch anzubieten.
»Es begann vor ungefähr fünf oder sechs Nächten. Stimmt doch, Amber?«
»Sieh mich nicht so an. Ich wüßte es nicht, wenn ich nicht gelauscht hätte.«
»Ich glaube, es waren sechs Nächte. Ich war mit einem Freund zusammen.« Er dachte kurz nach, bevor er es ausspuckte. »In einer Wirtschaft namens ›Halbmond‹.«
»Das ist eine ziemlich miese Kaschemme«, warf Amber hilfreich ein.
»Ich habe davon gehört. Weiter im Text. Dort hat man Sie also erwischt?«
»Als ich gehen wollte. Durch die Hintertür, damit mich niemand sah.«
Das klang keineswegs nach dem Draufgänger, der er angeblich sein sollte. »Warum diese Heimlichkeit? Ich dachte, das wäre nicht Ihr Stil.«
»Auf diese Weise erfuhr die Domina nichts davon. Ich sollte eigentlich arbeiten.«
Jetzt war ich baff. »Angeblich hat sie doch alle an der kurzen Leine, während Ihre Mutter im Cantard ist. Was Sie sagen, klingt aber so, als kämen und gingen Sie, wann und wie Sie wollen.«
»Nicht wann wir wollen«, antwortete Amber. »Sondern wann wir können. Courter und die Domina können ihre Augen nicht überall haben.«
»Sagten Sie nicht, Sie wollten mich nicht unterbrechen, Mr. Garrett?«
»Sagte ich, ja. Sprechen Sie weiter. Zuletzt hat man Sie also gesehen, als Sie sich heimlich aus dem Hintereingang von Lettie Farens Kneipe davonmachen wollten.«
»Ja. Ich war in der Tür stehengeblieben, mit dem Rücken zur Straße, um mich von jemandem zu verabschieden. Da hat mir irgendwer einen Ledersack übergestülpt. Es muß eine Art Zugkordel daran gewesen sein, denn ich wurde sofort stranguliert und hatte Todesangst. Ich dachte, ich würde ermordet, und war unfähig, etwas dagegen zu unternehmen. Dann verlor ich das Bewußtsein.« Er erschauerte.
Ich stellte meinen Humpen ab. »Und von wem haben Sie sich gerade verabschiedet?« Ich fragte so gelassen wie möglich, aber er war kein kompletter Idiot. Er antwortete nicht und wandte den Blick ab.
»Er will es einfach nicht glauben«, sprang Amber hilfreich ein.
»Was?«
»Daß seine bevorzugte Spielgefährtin mit drinhing. Es muß so gewesen sein, nicht wahr? Schließlich muß sie die Leute hinter ihm gesehen haben. Oder etwa nicht? Und wenn sie nicht mit ihnen unter einer Decke gesteckt hätte, wäre doch Zeit gewesen, ihn zu warnen, oder?«
»Da lohnt es sich jedenfalls nachzuhaken. Hat die Lady einen Namen?«
Amber betrachtete Karl, der anscheinend versuchte, seine Zukunft aus der Neige seines Bieres zu ergründen. Vielleicht gefiel ihm nicht, was er da sah. Er nahm den Krug vom Tablett und schenkte nach, wobei er etwas vor sich hin murmelte. Ich schnappte mir den Krug und folgte seinem brillanten Beispiel. »Wie bitte?«
»Er sagte, sie heißt Donni Pell.«
Ein Punkt für die Kleine. Sie hätte ihn jederzeit in die Pfanne hauen können, wenn sie gewollt hätte, aber sie hatte sich zurückgehalten, bis er
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