Faulspiel (German Edition)
Lachen klang in seinen Ohren, als wenn es erst gestern gewesen wäre.
Wie im Zeitraffer zogen die Bilder seiner Jugend vor seinem geistigen Auge vorüber, alle Stationen seiner Kindheit, seiner Pubertät, seiner Adoleszens, an die er sich erinnern konnte.
„Du weißt, dass Marcel mein bester Freund war. Fast sein gesamtes Leben lang war er einem unglaublichen Komplott auf der Spur. Er recherchierte wegen illegaler Sportwetten und Spielmanipulationen. Schon damals, kurz vor Mias Tod, hatte er sich damit viele Feinde geschaffen und war häufig bedroht worden. Wir nehmen an, dass deine Mutter deshalb getötet worden ist. Und auch Marcels Tod am Genfer See war meiner Meinung nach kein Unfall.
Er hatte mich damit beauftragt, auf ihn Acht zu geben. Doch wie sollte ich einen Mann beschützen, der war wie dein Vater? Marcel war unglaublich stur! Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ er sich vonnichts und niemandem davon abbringen. Er wollte unbedingt allein zum Genfer See fahren. Ich hatte keine Chance, ihn zu begleiten!
Schon damals, nachdem wir Mia beerdigt hatten, war er sich der Gefahr, in der er sich befand, bewusst und ihm war völlig klar, dass sein Kind das schwächste Glied in der Kette war.
Hier konnte man seine empfindlichste Stelle finden, hier war er erpressbar und mit dir hätte man ihn unter jeglichen Druck setzen können. Er hat sich immer die Schuld an Mias Tod gegeben und er wollte nicht, dass es dir irgendwann genauso ergehen würde wie deiner Mutter. Deshalb hat er uns damals darum gebeten, dich aufzunehmen und als unser eigenes Kind großzuziehen.
Wir hatten uns vorgenommen, dich darüber aufzuklären, sobald er seine Arbeit beendet hätte.
Leider ist es dazu nicht mehr gekommen!
Das alles hätte er dir sicher gerne selbst gesagt. Er hat dich abgöttisch geliebt und war unglaublich stolz auf dich!“
Robert hatte es die Sprache verschlagen.
Auch er hatte Marcel Runge sehr geliebt. Er hatte ihn immer als seinen Onkel betrachtet und jetzt musste er feststellen, dass er sein Vater war. All die Jahre hatte er keinen Verdacht geschöpft und wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Jean Pierre und Luise nicht seine leiblichen Eltern wären.
Sein wirklicher Vater war sehr oft zu Besuch in Cluny gewesen, meist während der Schulferien, und Robert konnte sich sehr gut daran erinnern, dass er sich immer sehr liebevoll um ihn gekümmert hatte. Plötzlich fielen ihm wieder unzählige Ereignisse aus der Vergangenheit ein, die er unmittelbar mit seinem Vater in Verbindung brachte. Die vielen gemeinsamen Gespräche, etliche Tage, die sie zusammenam Mittelmeer verbracht hatten, die abendlichen gemeinsamen Stunden, wenn sie am Strand ein Lagerfeuer entfacht hatten.
Marcel Runge hatte ihm das Ski laufen beigebracht, und Robert erinnerte sich noch genau an die Wochenenden in den Französischen Alpen.
Erst jetzt verstand er wirklich, warum Jean Pierre und Luise meist nicht mit dabei waren.
Robert wollte auf jeden Fall alles über seinen Vater und seine Mutter erfahren, was Jean Pierre und Luise über sie wussten.
„Bitte entschuldigt jetzt meine Fragen. Ich denke, es ist absolut menschlich, dass ich alles über meine leiblichen Eltern wissen möchte. Was haben sie für ein Leben geführt, wie und wo habt ihr sie kennen gelernt und vor allen Dingen, was für ein Mensch war meine Mutter?
Ich möchte eigentlich alles wissen!
Onkel Marcel hatte in unseren gemeinsamen Stunden immer sehr lange Gespräche mit mir geführt. Die Inhalte der Gespräche hatten sich meistens auf meine jugendlichen Probleme bezogen. Eigentlich auf alles, was einen Heranwachsenden beschäftigte.
Über sich selbst, über seine Sorgen und Nöte oder über Mia, meine Mutter, hatte er nie gesprochen. Ich wusste von ihm eigentlich nur, dass er Reporter und immer sehr beschäftigt war. Jetzt möchte ich alles hören, was ihr mir berichten könnt!“
Sein Blick wanderte zwischen Jean Pierre und Luise hin und her.
„Natürlich sollst du alles über deine Eltern erfahren. Allerdings war dein Vater auch ein Sturkopf und Eigenbrötler. Er fraß viele Dinge, die ihn beschäftigten, in sich hinein. Das machte ihn manchmal sehr schwierig. Er war ein harterHund, zumindest nach außen. Tief in seinem Inneren sah es sicherlich anders aus. Harte Schale, weicher Kern!
Das Leben hatte ihn so geformt. Ich glaube, dass er mit seiner äußerlichen Härte versuchte, sich auch selbst zu schützen. Er hat die Menschen, die ihn
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