Faulspiel (German Edition)
seine damit verbundenen Sprachkenntnisse hatten seinen Vorgesetzten veranlasst, ihn mit dem Verhör des Deutschen zu betrauen.
Als sich die Tür seines Büros öffnete, brachten zwei Polizisten den Gefangenen herein. An den Händen trug er Handschellen und an den Füßen entsprechende Fußfesseln.
„Nehmen Sie bitte Platz, Herr…? Ich nenne Sie vorübergehend einfach Herr X, denn ich gehe einmal davon aus, dass der Name aus ihrem Reisepass nicht Ihrer wirklichen Identität entspricht.“
Der Beamte sprach den Sträfling in akzentfreiem Deutsch an. Dieser nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches Platz. Seine Häftlingskleidung war übersätmit Flecken, und seine blonden Haare waren zerzaust. Unter seiner sonnenverbrannten Haut wirkte er aschfahl.
„Bevor ich Sie zu den Einzelheiten befrage, die Ihnen vorgeworfen werden, würde ich zunächst gerne Ihren richtigen Namen erfahren.
Um das Ganze abzukürzen, kann ich Ihnen schon einmal mitteilen, dass das deutsche BKA und das Auswärtige Amt bereits Kontakt mit uns aufgenommen haben, und wir auch, für den Fall, dass sie uns weiter belügen, in Kürze so oder so Ihre wahre Identität erfahren.“
Der Inspektor sah den Häftling durchdringend an.
Seine scharfsichtigen Augen versprühten einen Hauch von Humor. Der Gefangene schwieg.
Man konnte nur das leise Surren des Ventilators der Klimaanlage hören.
Ansonsten war es totenstill in dem Büro.
„Na gut, wenn Sie sich weiterhin nicht dazu äußern wollen, dann lassen wir das. Ich werde Ihnen vorerst eine andere Frage stellen: Wie haben Ihnen denn die ersten Tage in einem venezolanischen Gefängnis gefallen? Dagegen muss doch der Knast in Deutschland wie ein Hotel sein!
Richten Sie sich schon mal darauf ein, dass Sie die nächsten Jahre oder vielleicht auch Jahrzehnte in dieser Umgebung verbringen werden!“
Federico Cristobal grinste den Gefangenen ohne Scham an.
Mit spitzen Fingern nestelte er eine Zigarette aus seiner Jackentasche. Umständlich entzündete er sie und atmete den Rauch tief in seine Lungen ein.
Mit seiner ausgestreckten Hand bot er dem Deutschen einen der Glimmstängel an. Dieser schüttelte seinen Kopf.
„Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen, der Knast hier ist fast wie Urlaub. Wir haben frische Luft, die Sonne scheintdirekt durch die Löcher in der Decke. Außerdem bekommen wir regelmäßig zu essen, und mit etwas Glück werde ich nicht vergewaltigt oder umgebracht.“
Der Gefangene grinste unverhohlen zurück.
„Sie haben ja einen goldigen Humor. Sie können mir glauben, dass Ihnen das Grinsen schon noch vergehen wird. Da bin ich mir absolut sicher.
Als hübscher und smarter Europäer mit Ihren blonden Haaren werden Sie sicher Ihren Spaß in unseren Gefängnissen haben. Ich denke, Sie wissen, was ich damit meine!“
Man hatte ihn in der Vollzugsanstalt von Los Teques untergebracht. Los Teques liegt etwa zwanzig Kilometer vor den Toren von Caracas. Er gilt als der härteste Knast in Venezuela.
Die Gefangenen sind in alten, vergammelten Betonsilos untergebracht, die man Pavillons nennt. Der Putz rieselt von den Wänden, die von Schimmelpilzen, die teilweise bis zur Decke wuchern, bedeckt sind.
Los Teques gleicht mehr einem Verlies als einer Vollzugsanstalt.
Hier arbeiten die so genannten Luceros, die Mitglieder berüchtigter und mächtiger Verbrecher-Syndikate, direkt mit den korrupten Wärtern zusammen.
Diese Banden kontrollieren alles im Knast. Sie handeln mit Waffen und Drogen, mit Ventilatoren, Lebensmitteln, Mobiltelefonen und Fernsehern, vergeben Kredite und erpressen Schutzgeld. Insassen, die nicht zu den Syndikaten gehören, werden gedemütigt, vergewaltigt oder einfach umgebracht.
Die Pavillons haben keine Gitter oder Stahltüren, durch die die Inhaftierten voneinander getrennt sind. Es handelt sich eher um weitläufige Verliese, deren Böden übersät sind von Dreck und Unrat.
Den Wachen ist das alles völlig egal. Sie kümmern sich wenig darum, was in den Pavillons geschieht. Mit den Gefälligkeiten für die Luceros bessern sie ihr jämmerliches Gehalt auf. Die Wärter fühlen sich nur für die Häftlinge zuständig, die aus den Kerkern herauskommen.
Da gibt es nicht viele Möglichkeiten. Sie sind dann entweder gestorben, werden verlegt oder sind geflüchtet. Die Geflohenen fängt man nicht einfach nur ein und bringt sie wieder zurück, sie werden meistens erschossen.
Mord unter den Häftlingen ist in Los Teques an der Tagesordnung. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher