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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Maske wieder: die gedrungene Gestalt und kurz geschnittenes Haar, dunkel und ölig wie Otterfell.
    Als sie schwieg, verflog seine Freundlichkeit sofort. »Ich will eine Antwort!«, herrschte er sie an.
    »Ich bin nicht geladen, Mylord«, antwortete Jade so unterwürfig wie möglich. »Ich warte auf meinen Vater, der bei einer Audienz …«
    »Dann wird dein Vater eben auf dich warten!«, rief der Lord. »Nehmt sie mit! Ich will sie tanzen sehen!« Jade hätte beinahe laut geflucht, aber sie hatte keine Wahl. Im nächsten Augenblick war sie von der Gesellschaft umringt und wurde mitgerissen. Hände packten sie und schubsten sie unsanft herum, die adeligen Damen machten sich über ihr Kleid lustig und zerrten an ihrem Gürtel. Jade sah sich nach dem Mann um, der sie aufgefangen hatte, und erkannte in ihm zu ihrer Überraschung einen der anderen Lords. Er hieß Lomar, erinnerte sie sich. Er ließ sich kaum in der Stadt sehen, aber durch die Tatsache, dass er bei einem Fechtkampf mit der Lady ein Auge verloren hatte, kannte ihn jeder. Inmitten der betrunkenen Festgesellschaft war er der Einzige, der ernst und überlegt wirkte.
    Es war die falsche Richtung und sie waren noch mindestens zwei Gänge entfernt von den alten Sälen. Jade überlegte fieberhaft. Sie musste den richtigen Zeitpunkt abpassen und fliehen. Musik erklang, hohe, beinahe schrille Flöten und dumpfe Pauken. Im nächsten Augenblick wurde Jade in einen taghell erleuchteten Saal gestoßen. Kerzen brannten hier, aber auch mattierte Lampen waren auf die langen Banketttische gerichtet. Es duftete nach Safran, Honig und gebratenem Fleisch, doch es war ein bizarres Festmahl. Keine der sorgfältig zerkratzten Silberplatten glänzte, kein Weinglas funkelte im Kerzenlicht auf.
    »Na, Blume?«, brüllte Lord Davan und lachte. »Hier wirst du tanzen!«
    Jade sah sich um. Abendwind kühlte ihre heißen Wangen und sie entdeckte hohe Fenster und durchbrochene Flügeltüren ohne Scheiben. Das erklärte, warum der Saal auf den ersten Blick so leer wirkte: Die Gesellschaft befand sich draußen auf den Galeriegängen. Eine Möglichkeit schimmerte in dem Chaos auf. Vielleicht kann ich über die Galerie in einen der Nebenräume entkommen.
    »He!«, rief Lord Davan einem Diener zu. »Wein!«
    Die dunkle Flüssigkeit schwappte kühl über Jades Haut, als einer der Adeligen ihr grob den Becher in die Hand drückte. Der Lord starrte sie an, ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Wie lange hatte sie noch, bis Martyn die Schleusen öffnete? Fünfzehn Minuten? Zwanzig? Wenn es überhaupt klappt. Die Angst um Martyn flirrte in ihrem Magen und sie setzte rasch den Becher an die Lippen und nahm einen Schluck. Ascheflocken schmeckten trocken und ein wenig bitter, doch der Wein lag wie schweres, süßes Öl auf ihrer Zunge. Das Aroma von Weihrauch und Himbeeren stieg ihr in die Nase.
    »Was ist das für ein Fest, Mylord?«, fragte sie laut.
    Alle starrten sie an und der Lord verschluckte sich. Nur antworten, niemals fragen , erinnerte sie sich an Jakubs Ermahnung. Sie war sicher, der Lord würde sie nun verhaften lassen, aber er lachte brüllend los, als hätte er einen großartigen Witz gehört. »Vorlaut ist sie auch noch! Na los, sieh dir an, was für ein Fest wir heute feiern werden!«
    Jade betrat noch vor dem Lord den Galeriegang und sah sich sofort nach einer Fluchtmöglichkeit um. Alles war voller Menschen, die sich an der steinernen Balustrade drängten und in den Innenhof schauten. Zu viele, um sich unbemerkt zwischen ihnen durchzudrängen.
    Lord Davan packte Jade am Handgelenk und zog sie zur Brüstung. Ehrfürchtig machten die Adeligen ihm Platz.
    »Das da unten«, sagte er mit funkelnden Augen, »ist das Fest der Rache.«
    Jade folgte seinem Blick und erstarrte. Fackeln beleuchteten den Innenhof. Papageien saßen auf meterhohen Pfählen wie bunte Zierblumen und sträubten vor Nervosität das Gefieder. Löwengebrüll, Knurren und das Fauchen von Schneekatzen klangen hier so laut, dass Jade unbehaglich zumute wurde. Das Schlimmste aber waren die Käfige. Fünf an der Zahl. Und die Gefangenen darin drängten sich an die Gitter. Jetzt wusste Jade, warum sie Lilinns Käfig nicht an der Kirche entdeckt hatte. Blondes Nixenhaar glänzte im Licht einer Fackel. Ich muss sofort hier raus , schrie eine Stimme in Jades Kopf. Es läuft verkehrt! Alles läuft schief!
    »Das ist die Arena.« Lord Davan umfasste mit einer Geste den ganzen Hof. »Und da unten kriegen die Mörder,

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