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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Spiegelbild in die Stirn. Flieh! , rief das Echo in ihr.
    Ihr war so schwach und elend zumute, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Es kostete sie mehr Überwindung als alles, was sie je getan hatte, zu Faun zu gehen. Jetzt gaben ihre Knie endgültig nach und sie ließ sich neben ihm zu Boden gleiten. Sie drehte ihn vorsichtig auf den Rücken und strich ihm das nasse Haar aus der Stirn. Bei der Berührung bekam sie unwillkürlich eine Gänsehaut. Er war eiskalt. Ist er tot? Er kann doch nicht tot sein? Sie schluckte und legte die Hand auf seine Brust. Fast erwartete sie, eine Wunde zu fühlen, aber da war nur ein schneller, unregelmäßiger Herzschlag.
    Sie schob ihre Hände unter Fauns Schultern und zog ihn an sich. Sein Kopf lag schwer an ihrer Schulter und der Atem strich über ihren Hals. Was ist, wenn er erwacht und mich tötet? Sie schauderte, doch sie konnte sich nicht überwinden, ihn wieder loszulassen. Stattdessen blickte sie auf das Meer. Der Widerschein des Feuers gab den Wellen rote Kronen. Und weit draußen glänzte die goldene Barke der Lady auf. Lady Tod verlässt ihre Stadt, dachte Jade bitter. Sie wird schnell neue Lords finden. In einer anderen Stadt, bei anderen Menschen.
    Faun stöhnte und regte sich. Jades Herz begann zu rasen, und ihr Mund war mit einem Mal so trocken, dass ihre Zunge am Gaumen klebte. Furcht ließ sie nach Luft ringen, und sie ertappte sich beim Wunsch, einfach davonzulaufen. Faun schlug die Augen auf. Obsidianschwarz waren sie, beängstigend und weniger menschlich denn je. Dann zuckten seine Mundwinkel und verzogen sich zu einem vorsichtigen Lächeln. Jade schluchzte auf. Es war Faun, ihr Faun.
    »Tam ist tot«, sagte sie kläglich. »Ich … ich habe ihn umgebracht. Du bist frei.«
    Faun schluckte mühsam und nickte.
    »Du hast es von Anfang an gewusst!«
    »Dass du zu den Echos gehörst?«, murmelte er. »Ja, vom ersten Moment an. Aber du wusstest es nicht. Und du hast mich verwirrt. Du hast rotes Blut – und dennoch bist du wie sie.«
    »Du sagtest einmal, du seist ebenso menschlich wie ich. Ich hatte damals nicht verstanden, was du meinst.«
    »Du bist zum selben Teil menschlich wie ich.« Mühsam stützte er sich auf. Es war immer noch verstörend, in der Spiegelung den anderen Faun zu sehen. Den Dämon.
    »Und Jay?«, fragte sie leise. »Gibt es ihn überhaupt?«
    Faun lächelte wieder. Die Schatten unter seinen Augen waren so dunkel, dass er beängstigend erschöpft aussah. »Oh ja.«
    »Aber er ist kein … Echojäger.«
    »Ja und nein. Er ist ein Tier. Nicht mehr und nicht weniger. Aber wir sind verbunden und teilen dadurch manche Fähigkeiten. Da ich Echoblut rieche, wittert er es auch. Und da er unter Tams Bann stand, konnte auch ich mich ihm nur dann widersetzen, wenn er den menschlichen Teil in mir beeinflussen wollte.«
    »Hast du nie daran gedacht, Tam … zu töten?«
    Faun seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. »Mehr als einmal. Und Tam wusste es.« Er zeigte auf das Zeichen des Blauhähers. »Hätte ich es getan, wäre das auch mein Tod gewesen.«
    Jade versuchte, sich vorzustellen, was die Jahre an Tams Seite für Faun bedeutet haben mochten. Es gelang ihr nicht.
    »Du hast mir gesagt, Jay sei dein Bruder. Was lehrt ein solches Tier euch … Blutjäger wirklich?«, fragte sie vorsichtig.
    »Nur wie ein Raubtier zu handeln und zu töten. Ohne Grausamkeit. Die Wildheit zu bezähmen, mit ihr zu leben, ohne sich völlig an sie zu verlieren. Deshalb müssen wir unseren Stamm verlassen und dürfen erst wiederkehren, wenn wir den dunklen Teil von uns bändigen können.«
    Jade holte tief Luft. Es kostete sie unendlich viel Überwindung, die Frage zu stellen.
    »Und … hast du es gelernt?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Faun ernst. »Ich werde es wissen, wenn mein Zwilling stirbt.« Er lächelte traurig. »Du musst mich verlassen. Die Blutjäger und die Echos sind seit jeher Feinde.«
    »Aber du und ich nicht.«
    »Ich bin, wer ich bin, Jade.«
    »Ich auch«, gab sie zurück. »Aber wir haben uns geliebt, erinnerst du dich?«
    Draußen erklang ein vielstimmiger Triumphschrei und ließ sie beide zusammenzucken. Schritte kamen eilig auf sie zu. Tams Hund, der nicht von der Seite des Leichnams gewichen war, knurrte. Dann tauchte Moira an der Biegung auf – abgerissen, mit wirrem Haar und einer notdürftig verbundenen Hand. Jade atmete auf. Die Jägerin lebte!
    Auch Moira begann zu strahlen, als sie Faun und Jade sah. Mit einem Blick

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