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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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mit dem Ärmel über die Stirn. Sie sah so erschöpft und niedergeschlagen aus wie ein Mensch, der enttäuscht worden war. Wie muss man sich fühlen, wenn man feststellt, dass man dem Tod gedient hat? , dachte Jade.
    »Los, bring dich in Sicherheit«, sagte Moira. Jade stürzte los, rannte an Lord Davan vorbei und wollte eben um die Ecke biegen, aber Moiras scharfer Pfiff hielt sie noch einmal zurück. Die Jägerin trat nach etwas, das auf dem Boden lag. Wasser spritzte auf und Lord Davans Pistole schlitterte bis vor Jades Fuß. Jade hob sie auf. Die Waffe eines Lords, mit Griffschalen aus Elfenbein. Sie nickte, sicherte die Waffe und schob sie sich in den Gürtel. Ein Flügel streifte ihre Schläfe, ein Schnabel hackte nach ihrem Haar und sie duckte sich und lief zum Seitengang. Als sie sich dort nach dem Vogel umsah, entdeckte sie Faun.
    Nie hatte sie gewusst, was für ein kostbares Geschenk es war, jemanden einfach nur lebend wiederzusehen. Vor Erleichterung wäre sie am liebsten zu ihm gestürzt, aber ihr gelang nur ein schiefes Lächeln.
    Faun hatte einen schweren Kampf hinter sich, sein Wams war zerfetzt und über seinen Hals zogen sich vier Kratzer. Er hätte sich freuen sollen, sie zu sehen, stattdessen duckte er sich leicht, eine Bewegung, die so katzenhaft war, dass Jade verstört die Stirn runzelte. Irgendetwas war nicht so, wie es sein sollte. Ein dunkles Licht schien in seinen Augen aufzuglühen. Sein Gesicht hatte sich verändert, es war härter, fremder, als läge ein Schatten darauf. Dunkle Engel sehen so aus , dachte sie und machte einen Schritt zurück. Ohne dass sie es wollte, kroch die Furcht in ihr hoch. Racheengel.
    »Faun?«, fragte sie zaghaft.
    »Geh!«, schrie er. Seine Wut war wie eine Druckwelle, die sie zurückzustoßen drohte. Sein Gesicht zuckte, als versuche er, sich mühsam zu beherrschen. Er drehte sich um und wollte davonstürzen, als eine Handbewegung ihn zum Stehen brachte. Tam trat aus dem Schatten einer Nische. Wie immer begleitete ihn einer der Hunde. Und Jay? , dachte Jade alarmiert. Einer der Blauhäher landete auf Tams Schulter, legte den Kopf schief und betrachtete Jade aus bösartigen schwarzen Augen.
    »Und du, mein Freund, hast es die ganze Zeit gewusst«, sagte der Nordländer zu Faun.
    »Lass ihn gehen!«, rief Jade. Diesmal war ihre Wut kristallklar und kühl. Hinter ihrem Rücken tastete sie nach der Waffe im Gürtel.
    Tam lächelte spöttisch. »Das fordert wer? Ein Echo?«
    Faun stöhnte auf und ballte die Hände zu Fäusten. Die Bewegung spiegelte sich in Jades Augenwinkeln. Sie wandte den Kopf zur Wasserwand. Immer noch umklammerte sie den Griff der Waffe, aber der jähe Schock lähmte sie wie ein Eisschauer.
    Dort stand eine junge Frau in einem nassen, zerrissenen Kleid. Schwarze Haare hingen ihr wirr in das weiße Gesicht. Sie war ein Mensch, aber nun leuchtete auch das Echo in ihr so deutlich, dass sie sich fragte, warum niemand es je bemerkt hatte. Kaum zehn Schritte von ihr entfernt stand Faun, der sich ihr nun langsam wieder zuwandte. Nur dass sein Spiegelbild nicht Faun war. Sondern Jay. Schwarze Haut und weiß glühende Augen, Klauen …
    Das Wesen, das in Wirklichkeit nicht vor dem Fenster gestanden hatte, sondern, wie Jade in diesem gefrorenen Moment des Entsetzens begriff, nur eine Reflexion im Glas gewesen war. Fauns Spiegelbild. Er war das Ungeheuer, das sie beinahe umgebracht hätte, das Raubtier, das auf Echoblut reagierte und den Prinzenzwilling in der toten Stadt aufgespürt hatte. Ihr Feind.
    Sie konnte den Anblick von Fauns dunkler Gestalt nicht mehr ertragen und sah in sein Gesicht. Verzweiflung lag in den Zügen, aber auch eine Grausamkeit, die sie schaudern ließ.
    »Nein«, flüsterte sie.
    »Worauf wartest du?«, rief Tam mit der hypnotischen, warmen Stimme. »Du bist ein Blutjäger. Also töte sie!« Dieser Befehl peitschte durch den Raum und ließ Faun zusammenzucken.
    Jades Echoblut erwachte wie eine Erinnerung, die Essenz aus vielen, längst verflossenen Leben. In dem Moment, als in Fauns Augen auch der letzte helle Funke erlosch, spannte sie die Muskeln an, drehte sich um und lief. Sie nahm kaum wahr, wie schnell die Wand an ihr vorbeiflog, sie hörte nur, wie Faun näher kam. Er war dicht hinter ihr, viel zu dicht, und dann hörte sie plötzlich keine Schritte mehr. Sie wusste, dass der Stoß kommen würde, und im selben Moment, als Faun sie ansprang, gab sie instinktiv nach, ließ sich fallen und rollte sich ab. Ineinander verkrallt

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