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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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gut in deinem Hotel.«
    »Eine dümmere Frage gibt es wohl kaum«, entgegnete Jade frostig. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals über den Markt gelaufen zu sein ohne die Angst, verhaftet zu werden. Und in meinem Leben bin ich auf der Flucht mehr gerannt als jeder Jagdhund.« Sie musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. »Wir sind der Lady nicht so treu, wie du behauptest. Dazu müssten wir ihr … den Tod meiner Mutter verzeihen.«
    Sie sprach nicht weiter, und sie hörte, wie jemand zustimmend brummte.
    »Und was erhoffst du dir?«
    Jade schluckte. »Nicht viel. Gehen zu können, wohin ich will. In einer Stadt, die nicht zerstört ist. Und ich will wissen, ob die Echos tatsächlich Ungeheuer sind. Ich glaube nur zum Teil daran. Aber ich glaube daran, dass der Prinz in der Stadt ist. Und dass wir ihn finden müssen.«
    Die Stimmung veränderte sich schlagartig, als sie den Prinzen erwähnte. Es war ein Atemholen, ein angespanntes Verharren.
    »Weißt du mehr über ihn?«
    »Nur dass die Lady nach ihm suchen lässt«, erwiderte Jade. »Einer der Nordländer hat es mir bestätigt. Zumindest glaube ich, dass es seine Spur ist, die sie aufgenommen haben. Die Jäger sind hinter einem Mann her, der die Echos ruft. Und wenn ihr klug seid, hört ihr damit auf, Jagd auf die Blauhäher zu machen. Tam hat noch eine andere Bestie. Und ich könnte mir vorstellen, dass er sie, schneller als euch lieb ist, aus dem Käfig holt, wenn ihr seine Späher tötet.«
    Sie schrak zurück, als sie eine Hand an ihrem Haar spürte. Mit einem Ruck wurde ihr die Binde vom Kopf gezogen. Erst sah sie alles verschwommen, aber das Bild wurde schnell klarer. Sie saß in einem schmalen Tunnel, auf einer gemauerten Schwelle. Der Tunnel schien lang zu sein und verlor sich in der Dunkelheit. Die Gestalten, die um sie herumstanden, mussten sich bücken, um nicht an der niedrigen, gewölbten Decke anzustoßen. Sie erschrak, als sie verhüllte Gesichter erblickte, so deutlich blitzte die Erinnerung an die Echos in der toten Stadt auf. Doch das hier waren Menschen, und als sie genauer hinsah, erkannte sie sogar den einen oder anderen an der Haltung und an den Augen.
    Nell zog sich ihre Stoffmaske vom Gesicht und grinste. »Willkommen im Untergrund, Jade.«
    Wie auf ein geheimes Zeichen hin enthüllten auch die anderen ihre Gesichter. Jade staunte: ein Händler vom Marktplatz, zwei Frauen, die in der Menagerie eines Lords arbeiteten. Der Kerl mit der knarrenden Stimme war breit und kräftig gebaut und kam ihr ebenfalls bekannt vor. Vermutlich hatte sie ihn auch einmal auf dem Schwarzmarkt gesehen. Und die Anführerin dieser Gruppe war eine mausgesichtige Frau mit braunem Haar und blitzenden, intelligenten Augen. Jade schätzte sie auf Mitte zwanzig. Die Tatsache, dass sie doppelt durchstochene Ohrläppchen hatte, ließ Jade vermuten, dass sie eine Goldschmiedin war.
    »Nell kennst du ja schon. Und den Rest von uns wirst du kennenlernen, wenn es an der Zeit ist.«
    Jade nickte. »Wo sind wir?«
    »Kanalsystem, ganz in der Nähe vom Winterpalast. Liegt seit Jahren trocken.«
    »Wie viele seid ihr?«
    »Viele«, gab Nell zur Antwort. »Über dreihundert.«
    »Und die Echos?«
    Wieder ein Blickwechsel. »Es werden mehr. Aber es ist schwer für uns, sie zu finden. Wir müssen darauf warten, dass die Echos uns finden.«
    »Woher kommen sie?«, wollte Jade wissen.
    Enttäuschenderweise wieder ein Schulterzucken. »Aus dem Wald, sagen einige. Aus der toten Stadt. Wir wissen es nicht. Und erzählen werden sie es uns kaum, sie sprechen nicht unsere Sprache, sie verstehen nicht einmal immer, ob wir Freund oder Feind sind.«
    Jade dachte an die gefletschten Zähne und die Mordlust in den Augen des Echos, das sie am Fenster gesehen hatte, und fröstelte. Aber trotzdem spürte sie so etwas wie einen leisen Triumph.
    »Ich wusste es doch«, stellte sie fest. »Sie haben eine Sprache. Und sie sind eure Verbündeten?«
    »Der Prinz ist zurückgekehrt, um seinen Thron zurückzufordern. Er ruft die Echos zu Hilfe. Also sind sie auch unsere Verbündeten.«
    »Die Nordländer sagen, sie folgen den Menschen, um sie zu töten«, wandte Jade ein.
    Die Frau zuckte mit den Schultern. »Das kann gut passieren. Viele von ihnen sind den Menschen feindlich gesinnt. Nur den Königen gehorchen sie.« Sie griff unter ihren Mantel und holte etwas hervor, das sie in der Faust verbarg. Ein schnelles Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Es sei denn, sie erkennen, dass jemand den

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