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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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unserer ersten Begegnung konnte ich kaum glauben, dass du ein Mensch bist«, sagte Faun. »Du siehst aus wie eine Fee. Deine Haut ist so hell, dass sie beinahe leuchtet. Und deine Augen erinnern mich an das Wasser im Nordmeer. Ich habe noch nie solche Augen gesehen.«
    »Als ich dich zum ersten Mal sah, dachte ich nur: Was für ein unhöflicher, grober Kerl«, murmelte Jade verschlafen.
    »Und trotzdem hast du mich geküsst«, konterte er mit einem Grinsen.
    »Wie gut, dass du deine Arroganz völlig abgelegt hast.«
    Faun lachte. Und dieses Lachen, das keine Spur von Düsternis und Hochmut barg, liebte Jade am allermeisten. Wie immer war es, als würden sie gemeinsam Niemandsland betreten. Alle Sorgen und Zweifel wurden in ein schwarzes Meer gesogen und zurück blieb nur das kostbare Schimmern von Gegenwartsminuten.
    »Wir sind wie Jostan Larimar und seine Fee«, meinte er. »Jede Nacht in einem anderen Zimmer auf Reisen.«
    »Sag so etwas nicht! Jostan wurde getötet.«
    »So abergläubisch?«
    Jade schüttelte den Kopf. Ein Kloß saß plötzlich in ihrer Kehle, und sie wünschte sich nichts so sehr, als all das hinter sich zu lassen. Auch davon hatte sie vorhin geträumt, erinnerte sie sich: mit Faun über das Meer zu fahren, weit fort von der Gefahr. Und die Sehnsucht nach der Ferne war immer noch so nah, dass sie nur die Augen schließen musste, um danach greifen zu können.
    »Manchmal stelle ich mir vor, dass wir reisen«, sagte sie. »Auf einem Schiff. Zu den Inseln.«
    »Wohin willst du? Zu den Marmorzitadellen auf den Ostinseln?«, erwiderte Faun. »Oder zu den schwimmenden Städten an der Südküste?«
    Es war ein Spiel zwischen ihnen, und keiner von ihnen sprach die Wahrheit aus: Träume von einer Zukunft fanden in dieser Gegenwart keinen Halt.
    »Faun, wann werdet ihr die Stadt verlassen?«
    »Hast du es so eilig, mich loszuwerden?« Als sie über seinen Scherz nicht lächelte, seufzte er und nickte. »Bald, denke ich. Sobald die Lady unsere Dienste nicht mehr benötigt.«
    »Erzähl mir vom Nordland«, bat sie ihn.
    »Menschen mit Wolfsköpfen gibt es bei uns nicht«, flüsterte Faun ihr ins Ohr. »Aber es gibt tausendjährige Bäume, die so groß sind, dass auch zwanzig Männer einen einzelnen Stamm nicht umfassen könnten. In diesen Bäumen wohnen die Geister. Sie haben Stimmen wie das Zischen von Glut und Wasser und raunen dir ihre Geschichten zu. Ganze Dörfer leben in den Kronen dieser Bäume. Die Leute schlafen in Höhlen, die sie in die Stämme gehauen haben, und jagen Baumschlangen und Vögel. Manche haben seit Generationen den Erdboden nicht mehr berührt.«
    »Stammst du aus einem solchen Dorf?«
    Sofort verschwand der Glanz aus seinen Augen.
    »Oh nein, ich gehörte zu den Jägerstämmen. Aber ich war sehr jung, als ich wegging. Ich erinnere mich kaum daran.«
    »Auch nicht an deine Eltern?«
    Faun zuckte mit den Schultern. »Wenn ich träume, höre ich ihre Gesänge. Und wenn ich in einem Wald bin, dann ist es, als würde ich nach Hause kommen. Bist du gern im Wald?«
    Jade stutzte. »Ich? Im Wald?«
    »Vor der Stadt gibt es doch Wälder. Willst du behaupten, du warst nie dort?«
    »Nie. Die Lady jagt dort und es ist gefährlich. Das Erste, was ein Kind in der Stadt lernt, ist, in der Stadt zu bleiben, in Sicherheit.«
    »Sicherheit!«, meinte Faun spöttisch. »Die Freiheit ist nie sicher. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich noch heute die Stadt verlassen.«
    »Und wenn ich du wäre, würde ich Tam zum Teufel schicken«, entgegnete sie scharf. Faun antwortete nicht. Eine Weile schwiegen sie. »Wohin werdet ihr reisen, wenn die Lady euch nicht mehr braucht?«, fragte sie ihn schließlich.
    Er seufzte. »Ich weiß nicht, wohin Tam gerufen wird. Viele Könige, Stadtherren und Herrscher bezahlen ihm ein Vermögen für seine Arbeit. Er ist ein Suchender. Er gibt niemals auf, bevor er die Beute erlegt hat. Und es gibt immer etwas, das gefunden werden muss.«
    »Auch dich hat er gefunden«, sagte Jade vorsichtig. »In der Schlucht. Er hat dir das Leben gerettet. Bist du ihm deshalb verpflichtet?« Fauns Hand, die über ihre Schulter strich, verharrte. So oft hatte sie versucht, eine Antwort auf diese Frage hervorzulocken, und auch diesmal gelang es ihr nicht. Er lächelte nur traurig und versuchte, sie zu küssen, doch diesmal wich sie ihm aus und schob ihn weg.
    »Antworte mir gefälligst!«
    Faun rückte von ihr ab und seufzte. Dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und schien

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