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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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die Klinke in der Hand hatte, blickte sie noch einmal zurück und warf Faun einen vernichtenden Blick zu. »Auch das geht dich nichts mehr an. Obwohl Martyn der einzige Mensch zu sein scheint, der mich nicht belügt.«
    Faun erstarrte. Voller Genugtuung sah sie, wie sehr ihre Worte ihn trafen. Seine Mitternachtsaugen glommen in diesem gefährlichen Licht auf, sein Mund wurde zu einem harten Strich.
    »Wenn ich frei wäre …«, sagte er mit dieser absoluten Aufrichtigkeit, die ihr jetzt ins Herz schnitt wie ein vergiftetes Messer, »würde ich mit dir gehen, wohin du willst.«
    »Du bist aber nicht frei«, gab Jade unbarmherzig zurück. »Du bist jemand, dem eine Bestie wichtiger ist als ich. Bleib mir vom Leib, Faun. Und komm nie wieder in meine Nähe.«
    Sie wandte sich ab und riss die Tür auf. Du bist es nicht , dachte sie, während sie zum letzten Mal den Flur entlangging. Ich habe einen anderen Faun geliebt.
    *
    Gespenstisch hallten ihre Schritte auf der Straße, und Jade war froh, dass sie schon nach wenigen Metern den Uferkies betreten konnte. Die Wila schien sie aus tausend Augen zu betrachten, als sie in das Boot kletterte und sich mit dem Ruder abstieß. Sie wagte nicht, den Motor anzuwerfen, stattdessen ließ sie sich ein Stück flussabwärts treiben. Sobald sie außer Sichtweite des Hotels war, manövrierte sie das Boot in ein Feld voller Flussblüten. Der Duft von Zimt und Algen hüllte sie ein. Hier war das Wasser ruhig, nur ein Trauerschwan, der an der Uferböschung schlief, hob den Kopf und betrachtete den ungebetenen Gast argwöhnisch.
    Nie hätte Jade gedacht, dass ein Gefühl körperlich so wehtun konnte. Das Brennen in der Brust war unerträglich, und dazu kamen eine endlose Leere und das Gefühl, nie wieder richtig Luft zu bekommen.
    Sie schloss die Augen, krümmte sich zusammen und presste ihre Stirn an ihre Knie. Ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf. Bizarre Bilder, Traumfetzen, Fauns Lachen, der Winterprinz, Jakub. Und Jay. Immer wieder die Minuten im Badezimmer und das Splittern des Spiegels.
    Der Spiegel.
    Jade schniefte und tastete nach der Scherbe. Sie zu berühren, fühlte sich tröstlich an und gab ihr ein wenig Sicherheit zurück. Es war ungewohnt, zum ersten Mal seit Monaten keine Angst vor den Echos zu haben. Im Gegenteil: Voller Sehnsucht blickte sie in das Wasser, doch das Mädchen war nicht da. Sie entdeckte nur ein blasses Schimmern, das ein anderes Gesicht sein mochte.
    »Seid ihr da?«, flüsterte sie und streckte die Hand aus. Um ein Haar hätte die Viper, die aus dem Wasser schoss, sie in die Hand gebissen. Das Boot schwankte, als Jade heftig zurückwich. Mit aufgerissenen Augen starrte sie dem Reptil hinterher, das mit schlängelnden Schwimmbewegungen das Weite suchte – eine weißliche Schlange, deren schwarze Fleckenzeichnung Jade unter Wasser irrtümlich an Augen erinnert hatte. Jade nahm mit zitternden Händen ein Ruder und schob sich hastig aus dem betäubend duftenden Meer geschlossener Blüten.
    Sie überlegte nur kurz, dann beschloss sie, das Risiko einzugehen, und startete den kleinen Motor. Das ratternde Geräusch durchbrach die Stille der Nacht. Vögel flatterten erschrocken aus dem Uferdickicht auf und von weit her ertönte Hundegebell. Jade duckte sich so tief wie möglich und lenkte das Boot stromaufwärts.
    Sie versuchte, nicht hinzusehen, als sie dicht am Südufer das Larimar passierte. Licht drang durch die Fensterritzen im vierten Stock, und als sie doch genauer hinschaute, erkannte sie mit einem jähen Gefühl des Hasses einige Blauhäher, die am runden Fenster ihres blauen Zimmers saßen und sie beobachteten. Als hätten sie ihre Abneigung gespürt, sprangen sie vom Fensterbrett und ließen sich in die Tiefe fallen. Jade fürchtete schon, sie wollten sie angreifen, und fasste nach dem Ruder, aber Tams Spione schwirrten nur dicht über der Wasseroberfläche entlang und umflatterten das Boot. So folgten sie Jade ein ganzes Stück flussaufwärts. Erst als die Greifenbrücke in Sicht kam, drehten sie ab und jagten zurück in Richtung Hotel.
    Die Feynals hatten ein ganzes Stück hinter der Greifenbrücke angelegt. Ein Kranz von Fackeln beleuchtete das Deck der Fähre. Die Flussleute saßen im Kreis. Eine Brise trug Jade den Duft von gebratenem Aal zu. Heute übertönte kein Lachen den tuckernden Motor. Selbst von hier aus konnte Jade deutlich spüren, dass die Erschöpfung über der Gruppe lag. Am Heck wartete der Schlitten auf den nächsten Einsatz. Jades

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