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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Society (SDS) und den mit ihnen rivalisierenden Splittergruppen verstärken. Sie sollten den – falschen – Eindruck erwecken, hinter jedem Briefkasten stehe ein FBI-Agent und die Organisation sei mit Informanten durchsetzt. Die SDS sollte durch Desinformation zerrüttet und verwirrt werden. Aber COINTELPRO lief den Ereignissen hinterher. Mehr als 100 Universitäten im ganzen Land beteiligten sich inzwischen an den Studentenprotesten. Die Demonstrierenden rissen bei ihren Märschen Barrikaden nieder, während sich an ihren Rändern gewaltbereite Militante tummelten, die bereit waren, nicht nur Molotow-Cocktails zu werfen. Hoover rief seine Special Agents, die in ganz Amerika im Einsatz waren, zu den Waffen. »Ich bin entsetzt über die Reaktion einiger unserer Außenbüros auf die Gewalt- und Terrorakte […] auf dem Campus der Colleges« schrieb er. »Ich erwarte einen schnellen und aggressiven Gegenschlag.« [435]  
    Für Hoover sah es so aus, als braute sich ein Sturm zusammen, der heftiger war als alles, was er seit den großen Polizisten-, Kohle- und Stahlarbeiterstreiks mit dem Aufstieg der Linken nach dem Ersten Weltkrieg erlebt hatte. Doch das FBI wusste keine Antwort auf die Gewalt und Wut, die Amerika in jenem Frühjahr erschütterte.
    Am 6. Juni wurde Robert Kennedy in Los Angeles ermordet. Millionen von Amerikanern hatten ihre Hoffnung in ihn gesetzt. Hoover sah die Sache nüchterner. »Für die jüngere Generation und all diejenigen, die damals und bis heute Anhänger Kings sind, wurde er zu einer Art Messias«, schrieb Hoover nach Kennedys Tod in einem Memorandum an seine wichtigsten Mitarbeiter. [436]   Kennedys Wahl hätte das Ende von Hoovers Macht bedeutet.
    Mit dem Mord wurde der Weg ins Weiße Haus frei für einen Mann, der versprach, Gesetz und Ordnung wiederherzustellen. Der FBI-Chef hatte jetzt Grund zur Hoffnung auf eine Restauration, eine Rückkehr zu republikanischen Wahrheiten und eine Renaissance des FBI. Sein alter Freund Richard Nixon hatte gute Chancen, im November zum Präsidenten gewählt zu werden.
    Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Wettstreit zwischen Nixon und Johnsons Vize Hubert Humphrey ging es um die öffentliche Meinung zum Vietnamkrieg. Mittlerweile waren eine halbe Million amerikanische Soldaten im Einsatz, und jede Woche starben hunderte. Zehn Tage vor der Präsidentschaftswahl, nach einer die ganzen Nacht dauernden Unterredung mit seinen engsten Beratern aus Militär und Geheimdienst, war Johnson bereit, die amerikanische Bombardierung Nordvietnams einzustellen und einen Plan für Friedensverhandlungen zu erarbeiten. Doch der südvietnamesische Präsident Thieu machte in letzter Minute einen Rückzieher.
    »Thieu ist nicht mehr dabei«, sagte Johnson am Vorabend der Wahl zu einem Berater. »Er denkt, wir würden ihn in die Pfanne hauen.« [437]  
    Das FBI hatte Hinweise auf ein Komplott zur Sabotage von Johnsons Waffenstillstandsplänen in Vietnam. Der Präsident vermutete das Wahlkampfteam Nixons hinter dem Komplott.
    Drei Tage vor der Wahl sagte Johnson, er überwache »persönlich den Verkehr«: Telefonate und Telegramme, die das FBI und die Nationale Sicherheitsbehörde in der Südvietnamesischen Botschaft abgefangen hatten. Und er habe Nixons Plan zur Torpedierung der Friedensgespräche aufgedeckt. Er wies das FBI an, Anna Chennault, die bekannteste Vertreterin des chinesischen Antikommunismus, zu überwachen.
    Johnson hatte den Verdacht, sie sei Nixons Vermittlerin. Am Montag, dem 4. November, einen Tag vor der Wahl, schickte das FBI-Hauptquartier dem Präsidenten eine streng geheime Nachricht: »Anna Chennault fuhr in ihrem Lincoln Continental von ihrer Wohnung zur Vietnamesischen Botschaft, wo sie rund dreißig Minuten blieb.« Anschließend, so der Bericht weiter, sei sie in 1701 Pennsylvania Avenue gefahren und habe Raum 205 betreten, ein geheimes Wahlkampfbüro Nixons.
    Am Vorabend der Wahl resümierte Johnson, was er über die Chennault-Affäre erfahren hatte. »Sie sagt zur Südvietnamesischen Botschaft – sie war eine Kurierin und nichts anderes – sie sagte: ›Ich habe gerade von meinem Chef erfahren […]. Und Sie sagen Ihrem Chef, dass er noch ein Weilchen warten soll.‹ Das ist der Kern der Geschichte.«
    Nixon gewann die Präsidentschaftswahl sehr knapp mit kaum einer halben Million mehr Wählerstimmen, einem Siebtel von einem Prozent der gesamten Wählerschaft. Ein Friedensabkommen hätte sich für Humphrey mit Sicherheit positiv

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