FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
sich durch das Gebäude führen. James R. Healy vom FBI, ein glühender Verteidiger des Bureau und ein großer Bewunderer Hoovers, hatte die Aufgabe, dem demokratischen Kongressabgeordneten Robert Drinan aus Massachusetts alles zu zeigen. Der Jesuit, Pazifist und ein Gegner des Vietnamkriegs, war ein erklärter Feind des FBI. [538]
Sie kamen an einer Schießanlage in einer Halle vorbei. Healy erklärte, Agenten dürften nur zur Selbstverteidigung auf einen Verdächtigen schießen. »Und wenn er zurückschießt?«, fragte jemand. »Dann erschießen wir ihn«, entgegnete Healy.
»Reverend Drinan rief: ›Die erschießen Menschen! Die erschießen Menschen!‹«, erzählte Healy. »Ich hatte den Eindruck, der Kerl sei übergeschnappt.« Healy führte die Kongressdelegation weiter in einen Raum mit den Registerkarten. Diese Registerkarten waren das Fundament des Hauses, das Hoover gebaut hatte. »Reverend Drinan sagte: ›Ich würde gern sehen, ob mein Name auch dabei ist.‹ Aus Gefälligkeit führte ich ihn zu einer jungen Dame, die die Karten zur Ablage fertigmachte. Ich bat sie, mir ein paar zu geben.« Die Angestellte hielt die Registerkarten mit zitternder Hand hoch. Der Kongressabgeordnete entriss sie ihr.
»Sie haben meinen Namen!«, rief Drinan. »Sie haben meinen Namen!«
Der Kongressabgeordnete verlangte zu sehen, was das FBI über ihn zusammengetragen hatte. Er zählte zu den ersten Amerikanern, die in ihre eigene FBI-Akte Einsicht nehmen durften. Sie enthielt einen Brief, den eine misstrauische Nonne vier Jahre zuvor an Hoover geschickt hatte und in dem sie Father Drinan einen kommunistischen Spitzel innerhalb der katholischen Kirche nannte.
Dies war das Klima, in dem der Senat am 18. November 1975 seine öffentlichen Anhörungen zum FBI begann.
»Es werden Köpfe rollen«
Wie FBI-Direktor Kelley befürchtet hatte, waren die Kongressabgeordneten des Untersuchungsausschusses tief in die Vergangenheit des FBI eingetaucht und hatten einige beschämende Geschichten zutage gefördert: die Bespitzelung Martin Luther Kings, ein 500000 Seiten dickes Aktenregister über Amerikaner, die als Bedrohung der inneren Sicherheit eingestuft wurden, die Missachtung der Bürgerrechte in den COINTELPRO-Kampagnen und den Missbrauch der Ermittlungsbefugnis als Instrument der politischen Kriegsführung.
Der Senatsausschuss kam zu dem Schluss, dass das FBI Amerikaner ohne hinreichenden Tatverdacht bespitzelt hatte. Es habe gegen die geltenden Gesetze und die Verfassung verstoßen, und zwar vornehmlich deshalb, weil »eine lange Reihe von Justizministern, Präsidenten und Kongressen das FBI zwar mit Macht und Verantwortung ausgestattet, es aber versäumt [hatte], ihm die angemessene Hilfestellung, Leitung und Kontrolle angedeihen zu lassen«. [539]
Doch das Bureau hielt den Kopf dafür hin. Die öffentliche Zustimmung zum FBI sank in den Keller. Die von der Presse geformte Wahrnehmung des Bureau in der Bevölkerung war offenkundig negativ. Die Achtung schwand. Die Angst blieb.
Ein neuer Justizminister – Edward Levi, der fünfte, der innerhalb von drei Jahren dieses Amt bekleidete – hatte diesen Imageverlust kommen sehen. Levi erließ erstmals Richtlinien für die Durchführung von Ermittlungen des FBI. Vor dem Kongress erklärte er, sie seien auf die Überzeugung gegründet, dass »die staatliche Überwachung von Individuen oder Gruppen aufgrund ihrer unpopulären oder umstrittenen politischen Ansichten in unserer Gesellschaft nicht hinnehmbar ist«. Die Richtlinien definierten die Bekämpfung des inneramerikanischen Terrorismus als polizeiliche Aufgabe. Sie beschnitten die Machtfülle des FBI. Bevor das FBI mit einer Ermittlung beginnen könne, müsse es zu der Überzeugung gelangt sein, dass das Zielobjekt einer Untersuchung bereit sei, Gewalt anzuwenden. Ein hoher Anspruch. [540]
Am 8. Mai 1976 bemühte sich Kelley, öffentlich Abbitte zu leisten: in einer Rede im Westminster College, Missouri, wo Winston Churchill zu Beginn des Kalten Kriegs vor einem Eisernen Vorhang gewarnt hatte, der sich auf Europa herabsenke. Kelley räumte ein, dass das FBI nicht zu rechtfertigende Operationen durchgeführt hatte, und versprach, das werde sich nicht wiederholen.
Sein Auftritt war alles andere als bewegend. Im FBI sprach man umgehend von einer Entschuldigungsrede.
Aber für Entschuldigungen war es zu spät. Sieben Wochen zuvor hatte Kelley auf Anweisung des Justizministers und seiner Bürgerrechtsabteilung,
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