FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
einem Land, in dem kaum jemand auf den nächsten Krieg vorbereitet war. [122]
Das FBI beschäftigte 587 Agenten. Hoover regte an, weitere 5000 anzuwerben. Er wollte die Einwanderungsbehörde und den Zoll übernehmen sowie die Leitung der Federal Communications Commission, die die nationalen und internationalen Rundfunk-, Telefon- und Telegraphennetze kontrollierte. Außerdem würde er für die Sicherheit aller Fabriken zuständig sein, die im Auftrag der Regierung produzierten, sowie für sämtliche militärische Forschungseinrichtungen. Neben der Kontrolle der Pass- und Visavergabe durch das Außenministerium würde er die Befugnis erhalten, gegen jeden Bürger und Besucher der USA zu ermitteln, der im Verdacht stand, ein Auslandsagent zu sein.
Er schlug vor, alle diese Vollmachten sollten ihm heimlich übertragen werden, nur durch die Zustimmung des Präsidenten.
»Höchste Geheimhaltung« sei »für den Ausbau der gegenwärtigen Nachrichtendienststrukturen« erforderlich, schrieb Hoover in einem Memorandum an den Präsidenten vom 20. Oktober 1938: Dadurch könnten »Kritik oder Einwände gegen einen solchen Ausbau vermieden werden«.
Spionage sei »für das amerikanische Volk schon lange ein anstößiges Wort«, fuhr Hoover fort. »Folglich scheint es nicht wünschenswert, eigens Gesetze zu schaffen, die die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken würden, dass sie eingebracht wurden, um einen größeren Spionageabwehrfeldzug einzuleiten.«
Am 2. November 1938 bestellte der Präsident Hoover ins Weiße Haus. Auch dieses Gespräch ist nur in Hoovers geheimem Memorandum festgehalten. Darin heißt es: »Er erklärte, er billige den von mir vorbereiteten Plan.« [123]
Doch Hoover musste feststellen, dass Geheimhaltung ein zweischneidiges Schwert ist, wenn es um die Ausübung von Macht geht.
10
Der Jongleur
Wie so oft, wenn Franklin D. Roosevelt im Weißen Haus Geheimbefehle erteilte, hatte die Sache einen Haken.
»Wissen Sie, ich bin ein Jongleur, und ich lasse meine rechte Hand nie wissen, was meine linke tut«, sagte er einmal über seine Strategien als Staatsführer. »In Europa verfolge ich eine bestimmte Politik, in Nord- und Südamerika aber womöglich eine diametral entgegengesetzte Linie. Es kann sein, dass ich absolut inkonsequent bin, und außerdem bin ich durchaus bereit, andere in die Irre zu führen und die Unwahrheit zu sagen, wenn es hilft, den Krieg zu gewinnen.« [124]
Der Präsident verriet niemandem, dass er »den Plan gebilligt« hatte, den ihm Hoover für den großräumigen Ausbau des FBI vorgelegt hatte. Er stellte Hoover weder das geforderte Geld noch das zusätz122.15liche Personal zur Verfügung, griff allerdings in die Geheimschatulle des Weißen Hauses und gab Hoover unter der Hand 600000 Dollar: eine zehnprozentige Erhöhung des vom Kongress bewilligten FBI-Budgets. Mit diesem warmen Geldregen schickte sich Hoover an, 140 neue Special Agents anzuheuern, 4860 weniger als von ihm vorgesehen.
Immerhin erhielt Hoover nach monatelangen Bemühungen einen neuen Präsidialerlass, der ihm ein gewisses Maß jener Befugnisse erteilte, die er wünschte. Er hatte seine ganze Überzeugungskraft aufbieten müssen, um den Präsidenten und den neuen Justizminister Frank Murphy zu überzeugen, der sein Amt im Januar 1939 angetreten hatte. Murphy war der achte Justizminister, dem Hoover diente. Und inzwischen verstand sich der FBI-Chef darauf, einem neuen Vorgesetzten zu sagen, was er hören wollte. Murphy nahm Bürgerrechte ernst; Hoover musste ihm einreden, dass sich nur mit Geheimdienstoperationen unter Aufsicht des FBI das Chaos und die Verfassungsbrüche vermeiden ließen, die in alten Zeiten typisch für die Kommunistenjagd gewesen waren.
Am 26. Juni 1936 erließ Roosevelt eine Geheimdirektive, die das FBI und die Nachrichtendienste von Heer und Marine gemeinsam mit den Problemen der Spionage, der Spionageabwehr und der Sabotageermittlung betraute. Hoover und seine Kollegen vom Militär sollten sich einmal wöchentlich beim FBI treffen, um ihre Arbeit zu koordinieren. Ein leitender Beamter des Außenministeriums war in beratender Funktion mit von der Partie. Diese Sitzungen liefen unter der Bezeichnung Interdepartmental Intelligence Committee; Hoover fungierte als ständiger Vorsitzender, weil die Chefs der militärischen Nachrichtendienste im Zweijahresturnus wechselten. Roosevelts Direktive machte Hoover zum wichtigsten Mann des amerikanischen Geheimdienstes, als in Europa der
Weitere Kostenlose Bücher