FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
er. »Er rückt sehr nah an unsere Heimat heran […] Die Sicherheit der Amerikaner selbst im Innern dieses unseres Landes ist eng verknüpft mit der Wahrung der Sicherheit von Menschen in Nova Scotia, Trinidad oder Brasilien.«
Roosevelt hätte es nicht schonungsloser formulieren können: »Ich wiederhole nur, was bereits im Nazi-Buch von der Welteroberung steht. Sie planen, die lateinamerikanischen Völker so zu behandeln, wie sie es jetzt mit jenen des Balkans tun. Danach wollen sie die Vereinigten Staaten von Amerika strangulieren.«
Hoover wusste, dass irgendwo in Lateinamerika ein Nazi-Netzwerk unbehelligt aktiv war und die Vereinigten Staaten infiltrieren konnte, falls der SIS mit seiner Mission scheiterte. Informationen über die Achsenmächte in der westlichen Hemisphäre waren nie dringender benötigt worden als jetzt. Aber ein Erfolg der SIS-Agenten war wenig wahrscheinlich.
Hoovers Auslandsagenten übermittelten fast nur »Gerüchte etc.«, heißt es in der Geheimgeschichte des FBI. Diese Gerüchte stammten von »professionellen Informanten«, die »sich durch die Weitergabe geheimdienstlicher Informationen ihr Geld verdienten. Diese Informationen wurden nie untersucht oder auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.« Für Lügner und Betrüger waren die SIS-Agenten leichte Beute: »Sie waren in der Regel schlau genug, um recht bald zu merken, dass sie mehr verdienten und sich teurer verkaufen konnten, wenn ihre Informationen einen Überraschungseffekt besaßen.«
Die Einsicht, dass sich »mit solchen Dingen Geld verdienen ließ, stachelte ihre Begeisterung derart an, dass sie an Amerikaner und Briten Informationen sozusagen en gros verkauften und immer neue Klienten und Kunden für ihren schwunghaften Handel zu gewinnen suchten«. Es dauerte Monate, manchmal Jahre, um Fakten und Fiktion zu trennen, denn »die von den Quellen gelieferten Informationen waren natürlich nicht immer erfunden«, heißt es in der Geheimgeschichte aus der Rückschau. »Ihr Wahrheitsgehalt war oft sogar beträchtlich. Manches aber war frei erfunden, gespickt mit allerhand Fälschungen, falschen Codes der Gegner und so weiter, und diese Informationen wurden nicht nur Vertretern des Bureau angedreht, sondern auch Heeresattachés, Marineattachés und den Vertretern anderer alliierter Nachrichtendienste in Lateinamerika, darunter die Briten, und zwar gegen erhebliche Geldzahlungen.«
»Ich telegraphiere noch heute meinen Rücktritt«
Eine ähnliche Gaunerei ging mit dem Berufsstart von William J. »Wild Bill« Donovan als Amerikas neuem Nachrichtendienst-Majordomus einher.
Den Spitznamen »Wild Bill« trug er nicht umsonst. Donovan hatte jeden Tag hundert Ideen, zehn davon waren oft brillant. Der Präsident schätzte Donovans Tollkühnheit. Wie Roosevelt hatte auch er ein Faible für die Nachrichtenbeschaffung aus dem Ausland und liebte die Spionage. Nachdem seine politische Karriere gescheitert war, widmete er sich dem Gebiet der Spionage und war weitgehend ein Autodidakt. Dennoch hielt er sich für einen Fachmann, und nach amerikanischen Maßstäben war er das auch.
Er drängte den Präsidenten, ihm einen eigenen Spionagedienst einzurichten. Am 10. Juni 1941 hatte sich Donovan erboten, die Leitung einer »zentralen Spionageabwehrorganisation« [151] zu übernehmen, die die Aufsicht über das FBI und die Nachrichtendienste von Heer und Marine führte. Er wollte die amerikanische Aufklärung ankurbeln, die Arbeit und Geheimnisse der verschiedenen Dienste zusammenführen und die Ergebnisse direkt dem Präsidenten vorlegen.
Roosevelt hatte Donovan zweimal als Abgesandten nach London geschickt, wo er mit Premierminister Churchill, dem britischen Nachrichtendienstchef Stuart Menzies und dem Chef der britischen Marineabwehr, Konteradmiral John Godfrey gesprochen hatte. Er war von den Briten begeistert (und sie finanzierten seine zweite Reise). Für seinen Freund und Parteigenossen, den republikanischen Haudegen Frank Knox, der soeben zum Staatssekretär für die Marine befördert worden war, verfasste er einen vierseitigen Bericht, in dem er das System des britischen Nachrichtendienstes beschrieb – ähnlich wie Hoover einen Monat zuvor, aber in sehr viel glühenderen Worten. Hoover hatte eine eigene Beziehung zum britischen Nachrichtendienst, er hielt ihn aber immer auf Distanz, Donovan hingegen ließ sich anwerben.
Zu Hause in New York arbeitete Donovan seine Pläne für einen Geheimdienst um, tatkräftig unterstützt
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