FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
einheimischen Gepflogenheiten, die Sprache und so weiter kennenzulernen.« [165] Aber mehr als ein paar Monate im Ausland verkrafteten viele Agenten nicht. Dutzende, wenn nicht hunderte FBI-Leute gaben ihre Tätigkeit für den SIS auf oder baten um die Versetzung in die Heimat, »zutiefst empört« und »völlig desillusioniert, als sie mit etwas konfrontiert wurden, was überhaupt nicht dem glanzvollen Bild entsprach, das ihnen vor der Übernahme des Postens vorgeschwebt hatte«. Sie waren in ganz Lateinamerika »allerhand Spott« durch amerikanische Soldaten und Seeleute ausgesetzt, die fragten, »warum sie keine Uniform trügen und versuchten, Seife und Zeitschriften zu verkaufen oder einer anderen offenbar unwichtigen Aufgabe nachgingen, die nichts mit dem Krieg zu tun hatte«. Diplomaten und Militärattachés des Außenministeriums hatten ihre Freude daran, »die Undercover-Agenten des Bureau zu enttarnen, bloßzustellen und in Verlegenheit zu bringen«, verrät die Geheimgeschichte und bezeichnet sie als Bummelanten und Drückeberger. »Leider«, hält die Geheimgeschichte fest, »waren die Undercover-Leute weitgehend junge, gesunde, intelligente, umgängliche Amerikaner im wehrpflichtigen Alter mit offenkundigem militärischen Potential, die unter einer schlechten, oft leicht durchschaubaren Tarnung operierten«.
SIS-Leute wurden auch als Abtrünnige und Verräter beschimpft. Wenn sie sich anstrengten, »das Vertrauen von NS-Sympathisanten zu erringen, um an Informationen aus den Reihen der Nazi-Freunde heranzukommen«, pflegten sie »Aktivitäten und Verbindungen, die in den Augen von Vertretern des US-Außenministeriums, des Heeres und der Marine äußerst fragwürdig und verdächtig wirkten«, so die Geheimgeschichte. »Viele der Männer gerieten auch bei den Briten unter Verdacht, teilweise berechtigt, teilweise offenbar nur deshalb, weil die Briten sie für FBI-Mitarbeiter hielten und sie in eine peinliche Situation bringen und bloßstellen wollten.«
Sein Leben lang hatte Hoover an einer Regel festgehalten: Das FBI darf nicht in Peinlichkeiten geraten. Er musste den schlechten Ruf und den niedrigen Status des FBI im Ausland wiederaufpolieren. Sein Vertrauensmann im State Department, Staatssekretär Adolf A. Berle, fand eine geniale Lösung.
In den US-Botschaften der westlichen Hemisphäre wurde ein neuer Posten für das FBI ausgeschrieben: der Legal Attaché oder Rechtsattaché. Wie der Heeres- und der Marineattaché besaß er Diplomatenstatus mit dem entsprechenden Dienstgrad und genoss die damit verbundenen Vergünstigungen und die entsprechende Immunität. Der Rechtsattaché sollte den amerikanischen Botschafter über die Tätigkeit des FBI in seinem Gastland auf dem Laufenden halten. Auch war er zu einer möglichst harmonischen Zusammenarbeit mit dem Heeres- und dem Marineattaché angehalten. Theoretisch war er »der zuständige amerikanische Amtsträger für Geheimdienstangelegenheiten, insbesondere im Bereich staatsfeindlicher Aktivitäten«, heißt es in der Geheimgeschichte des FBI.
Aber die Rechtsattachés retteten den Auslandsnachrichtendienst des FBI. Hoover setzte sie darauf an, sich mit den lateinamerikanischen Polizeichefs und den Ministern für innere Sicherheit anzufreunden. Den Polizeichef – oder noch besser den Chef der Geheimpolizei – zu einem guten Essen einzuladen oder gar zu bestechen war ein weit wirksameres Instrument der Informationsbeschaffung als die Operationen vermeintlicher Zeitungskorrespondenten oder Seifenverkäufer.
Die Programme zur Förderung von Polizeikontakten der Rechtsattachés ebneten Roosevelts Politik der »guten Nachbarschaft« in Kriegszeiten den Weg. Dank Autorität und amerikanischer Finanzhilfen, die US-Botschaften lateinamerikanischen Präsidenten und Polizeikräften gewährten, konnte das FBI diese Kontakte rasch ausbauen. Rechtsattachés und Botschafter redeten politisch unsicheren lateinamerikanischen Präsidenten ein, es sei klug, zu ihrem Schutz einen FBI-Mann als bezahlten Sicherheitsberater zu engagieren. Dieser Berater ging natürlich einer Nebentätigkeit als Spion nach.
Ab Sommer 1943 wurde es durch diese Kontakte »möglich, in praktisch allen lateinamerikanischen Ländern bei Ermittlungen und Informationsbeschaffung die nahezu uneingeschränkte Unterstützung der Polizei zu erhalten«, heißt es in der FBI-Geheimgeschichte. Polizeichefs und Innenminister, von denen einige mittlerweile vom FBI bezahlt wurden, verschafften
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