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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Obersten Gerichtshof in die Zwickmühle gebracht. Die sechs Verurteilten waren bereits tot. Was, wenn der Oberste Gerichtshof das Verfahren für verfassungswidrig erklärt hätte? Oder wenn die Richter herausgefunden hätten, dass Hoover Dasch im Gegenzug für sein Geständnis die Freiheit versprochen hatte? Wie Chief Justice Stone in einem privaten Memorandum für die Akten festhielt, wäre der Supreme Court dann »in die wenig beneidenswerte Lage [geraten], mit angesehen und zugelassen zu haben, dass sechs Männer in den Tod gehen, ohne für alle Betroffenen – auch den Präsidenten – klarzustellen, dass [der Supreme Court] eine Frage unentschieden gelassen hatte, auf die die Verteidigung angewiesen war, um Gerechtigkeit für die Angeklagten zu erwirken«. Diese Frage lautete, ob der Militärausschuss durch seinen Architekten, den Präsidenten, rechtmäßig konstituiert worden war. Sie sollte unbeantwortet bleiben, bis die Vereinigten Staaten im Jahr 2001 mit feindlichen Kombattanten anderer Art konfrontiert wurden.
    Die Geschichte der Nazi-Saboteure war für das FBI in doppelter Hinsicht ein unerwarteter Glücksfall – mit einem öffentlichen und einem geheimen Aspekt. Die öffentliche Aufmerksamkeit war enorm: Die Amerikaner waren überzeugt, das Bureau hätte den Fall ganz allein gelöst. Sie erfuhren weder, dass George Dasch übergelaufen war, noch dass er alles gestanden hatte. Die PR-Maschinerie des FBI versuchte sogar – erfolglos – zu veranlassen, dass Hoover vom Kongress mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde. Doch abgesehen davon hätte der Fall für das Image des Bureau kein größerer Segen sein können.
    Der Sabotagefall hatte überdies den Vorteil, dass das FBI nun besser begriff, wie das sogenannte Rückwanderersystem funktionierte. Das Bureau untersuchte die Vergangenheit der Saboteure in den Vereinigten Staaten und fand heraus, dass drei von ihnen ihre Bindung an das Dritte Reich durch den Kauf von Reichsmark bei Banken in New York und Chicago demonstriert hatten. Den Antragsformularen zum Umtausch von Dollars in Reichsmark entnahm der deutsche Geheimdienst Namen, Anschrift und Kontaktdaten der Antragsteller. Die Abwehr hatte deren Rückreise nach Deutschland bezahlt und sie zu Saboteuren ausgebildet.
    Tausende von Deutsch-Amerikanern hatten Reichsmark gekauft und waren nach Deutschland gegangen. Wie viele von ihnen waren als Spione in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt?
    Das FBI intensivierte im Herbst 1942 seine landesweiten Ermittlungen zu diesem wohl größten und kompliziertesten Fall, den es je bearbeitet hatte. Das Bureau verhörte insgesamt 997 deutschstämmige Ausländer in den Vereinigten Staaten; 441 von ihnen wurden auf Anordnung des Justizministers wegen ihrer Bindungen an Deutschland interniert oder inhaftiert. Beteiligt waren hunderte Agenten, zehntausende Dokumente und eine ganz große Bank: die Chase National Bank. [161]  
    In New York kümmerte sich Percy Foxworth, inzwischen Hoovers Abteilungsleiter für Fragen der nationalen Sicherheit, um den Fall. Er bekam Dokumente in die Hand, die Aufschluss gaben über lukrative Verbindungen zwischen amerikanischen Bankiers, multinationalen Unternehmen, die insgeheim mit Deutschland Geschäfte machten, dem Amerikadeutschen Bund und dem NS-Regime. Auf welchen Wegen Foxworth an die Dokumente gelangt war, unterlag der Geheimhaltung.
    Das FBI hatte einen Kassengehilfen und einen Manager der mittleren Ebene in der Auslandsabteilung der Zentrale der Chase National Bank in New York angeworben. Nachts brachen FBI-Agenten in das Büro ein und durchforsteten stundenlang die Akten der Auslandsabteilung. Diese Aktionen erfolgten ohne Durchsuchungsbefehl, lagen also in der Grauzone zwischen Einbruchdiebstahl nach FBI-Manier und einer Geheimdienstoperation. So oder so waren sie illegal.
    Das FBI hatte die Theorie entwickelt, die Chase National Bank sei für die deutsche Regierung tätig und verletze damit den Foreign Agents Registration Act, ebenjenes Gesetz, aufgrund dessen das Justizministerium Anklage gegen Spionageverdächtige erhoben hatte. Das war politisch eine mehr als heikle Angelegenheit. Es lief praktisch auf den Vorwurf der Kollaboration mit Hitler hinaus.
    Die Anschuldigung konnte nicht bewiesen werden. Die Bank manövrierte das FBI aus. Chase engagierte den versierten Juristen John Cahill. Er war in dem Fall als Bundesstaatsanwalt für das Große Geschworenengericht zuständig gewesen. Dass das FBI illegal

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