FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Beweismittel gegen die Chase National gesammelt hatte, war ihm nicht entgangen. Cahill wusste genug, um den Spieß umzudrehen. Er drohte, das Bureau vor Gericht zu bringen. Aber wenn der Fall weiterverfolgt würde, käme ans Licht, dass das FBI Einbruchdiebstahl begangen hatte, und diesen Preis wollte Hoover nicht bezahlen. Die politisch brisanten Ermittlungen gegen die Chase National Bank wurden fallengelassen.
»Wir hatten niemanden, der uns beraten hätte«
In jenem Winter hatte das FBI noch einmal Pech. Am 15. Januar 1943 kam Percy Foxworth bei einem Flugzeugabsturz im Dschungel von Niederländisch-Guayana im Nordosten Südamerikas ums Leben. Foxworth und ein FBI-Kollege waren nach Marokko unterwegs, wo Roosevelt und Churchill Kriegsrat hielten. Foxworth war vom Kriegs- und vom Außenministerium beauftragt worden, einen amerikanischen Staatsbürger und angeblichen Nazi-Kollaborateur zu vernehmen, den man als potentielle Bedrohung für das Leben des Präsidenten in Casablanca verhaftet hatte. Foxworth’ Tod war ein schwerer Schlag für den Special Intelligence Service (SIS), für den im Jahr 1943 bereits 583 FBI-Agenten arbeiteten, der aber immer noch Schwierigkeiten hatte, seine Aufgaben zu erfüllen.
Hoover versuchte wiederholt, den SIS loszuwerden. Dem Justizminister erklärte er: »Ich empfehle dringend, das FBI von jeder Verantwortung für alle nachrichtendienstlichen Sonderermittlungen in der westlichen Hemisphäre zu entbinden und diesen Verantwortungsbereich voll und ganz auf Oberst Donovans Organisation zu übertragen.« An den neuen Chef des Heeresnachrichtendienstes, Generalmajor George Veazey Strong, schrieb er: »Ich bin sehr darauf bedacht und absolut bereit, mich voll und ganz aus Lateinamerika zurückzuziehen.« [162]
Es gibt wenige Beispiele dafür, dass Hoover freiwillig auf Befugnisse verzichtete, und schon gar nicht zugunsten seiner politischen Feinde wie Donovan. Er tat es nur, wenn er das Risiko einer Blamage befürchtete. Und der SIS bereitete ihm nichts als Verdruss.
»Sie dürfen nicht vergessen, dass wir im Nachrichtendienst bei Null angefangen haben«, erklärte der für nationale Sicherheit zuständige FBI-Agent John Walsh, der 1943 für den SIS ins kolumbianische Medellín ging. »Wir hatten niemanden, der uns in der Sache beraten hätte.« [163]
In Kolumbien lautete der SIS-Auftrag, Nazi-Agenten zu jagen und die verdeckten Funknetze auszuschalten, mit denen die Spione Kontakt zu ihren Verbindungsoffizieren in Deutschland hielten. Aber Walsh stellte nach seiner Ankunft in Kolumbien bald fest, dass er nichts zu tun hatte. »Sämtliche deutschstämmigen Ausländer waren zu dem Zeitpunkt bereits in Haft«, erinnerte er sich. »Kolumbien hatte Deutschland den Krieg erklärt und alle Deutschen interniert.«
»Ich verbrachte viel Zeit im Country Club«, berichtete er weiter. »Einen echten Auftrag hatte ich nicht.«
In späteren Jahren würde das FBI behaupten, die Operationen des SIS hätten zur Festnahme von 389 Agenten der Achsenmächte und zur Zerstörung von 24 Funkstationen der NS-Spionageringe geführt, und zwar größtenteils in den Jahren 1942 und 1943. Damit erntete Hoover die Lorbeeren, die rechtmäßig der Radio Intelligence Division (RID) der Federal Communications Commission gebührten, einer mit dem New Deal geschaffenen Behörde, die den Rundfunk in den Vereinigten Staaten überwachte. Hoover hegte einen Groll gegen FFC-Chef James Lawrence Fly, beide kämpften jahrelang um die Macht des FBI, Lauschangriffe durchzuführen.
Die Zivilisten bei der Radio Intelligence Division hörten den verdeckten Nachrichtenverkehr zwischen den Deutschen und ihren Spionen in Lateinamerika ab. Sie arbeiteten mit amerikanischen Botschaftsangehörigen und der Polizei vor Ort zusammen, um die Spionageringe auszuheben. 1942 erfuhr die Radio Intelligence Division von dem Plan, die Queen Mary zu versenken, die 10000 amerikanische und kanadische Soldaten an die Front bringen sollte, und ermöglichte es der brasilianischen Polizei, über 200 deutsche Spione zu verhaften. Auf diesen einen Fall entfiel allein schon die Hälfte aller Festnahmen von Spionen der Achsenmächte in Lateinamerika, die FBI und SIS im gesamten Zweiten Weltkrieg für sich beanspruchten. [164]
In der Geheimgeschichte des FBI heißt es: »Von einem Agenten waren keine brauchbaren Informationen zu erwarten, wenn er nicht mindestens mehrere Monate, und das ist das absolute Minimum, auf seinem Posten war, um die
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