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Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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klang ungläubig, aber vielleicht hatte Cadwell ihn im Tosen des Wassers auch nicht gehört.
    »Es gab kein Video«, wiederholte Leon. »Ich habe eine Kamera installiert, aber sie hat nicht funktioniert. Ich konnte mir schon ziemlich genau vorstellen, was du da drin so treibst, also habe ich einfach geblufft. Und weil du die Kamera gefunden hast, hast du es geglaubt.«
    Cadwell starrte ihn ungläubig an. »Es war alles ein Bluff?«
    »Genau. Ich habe nichts gegen dich in der Hand. Jetzt nicht und auch früher nicht.«
    »Aber jetzt, nachdem ich …« Cadwell verstummte, als ihm dämmerte, dass Leon das eigentlich gar nicht zugeben dürfte. Er dürfte ihm nicht so leichtfertig einen Vorteil verschaffen …
    Der Bestattungsunternehmer war ein großer Mann, etwa zehn Zentimeter größer als Leon und wahrscheinlich zehn, fünfzehn Kilo leichter, aber er war nicht gut in Form. Zu sehr den üppigen Speisen zugeneigt, seinen edlen Weinen und Single Malts und seinen kubanischen Zigarren. Und Sport hatte er noch nie getrieben.
    Leon dagegen war fülliger, aber auch stärker und fitter. Jünger. Und entschlossener.
    Und, wenn es darauf ankam, wesentlich skrupelloser.
    Leons Faustschlag war schnell und wuchtig, und er traf Cadwell im Unterbauch. Der ältere Mann hatte keine Chance, sich zu wehren. Es verschlug ihm den Atem, er hielt sich den Bauch, rang nach Luft und stieß ein verzweifeltes uhuhuh aus, als Leon ihn mit beiden Armen packte und gegen das Geländer stieß. Es splitterte, brach aber nicht.
    Schließlich fand Cadwell seinen Atem wieder und schrie, ein dünnes, heiseres Kreischen, das im Sturm völlig unterging. Er hämmerte mit beiden Armen auf Leon ein, aber es lag nicht viel Kraft in den Schlägen. Leon duckte sich, packte Cadwell an den Beinen und wuchtete ihn über das Geländer.
    Gerade hatte Cadwell noch vor ihm gestanden: ein Rivale, ein Verräter, eine Bedrohung. Im nächsten Moment war er weg, verschlungen von den schlammigen Fluten. Ein tragisches Opfer des Hochwassers.
    Und wahrscheinlich nicht das letzte.

    Das Wasser holte Jenny wieder ins Leben zurück, als wäre von ihr nur noch eine Art gefriergetrocknetes Pulver übrig gewesen, das durch Hinzufügen von Flüssigkeit wieder Substanz und Stärke gewann. Fast konnte sie spüren, wie ihre Körperzellen anschwollen, wie ihr Blut schneller floss und die normalen Funktionen wieder einsetzten, wie alles sich auf ein verlängertes Überleben einstellte.
    Hoffnung blühte auf wie eine Blume in der Wüste.
    Und dann hatte sie sich satt getrunken, doch die Pfütze füllte sich immer wieder auf. Inzwischen war Jenny kräftig genug, um sich aufzusetzen, und als sie sich mit einer Hand am Boden abstützte, spürte sie ein Kitzeln an der Haut – Wasser.
    Es dauerte eine Weile, bis sie die Information verarbeitet hatte, bis die Blume wieder verwelkte und einging. Wie lange genau, wusste sie nicht, doch es entsprach etwa der Zeit, die es dauerte, bis eine dünne Wasserschicht sich um ihren Körper herum ausgebreitet hatte und den Boden der Zelle bedeckte.
    Jenny fröstelte. Die Temperatur, die während ihrer Gefangenschaft stets konstant geblieben war, schien rapide zu fallen. Sie begriff, dass ihre Umgebung sich veränderte, dass die Bedingungen widriger wurden. Sie musste irgendwie reagieren.
    Als Erstes griff sie nach der zerbrochenen Taschenlampe, knipste sie mehrmals an und aus, doch nichts würde sie wieder zum Leben erwecken. Der winzige Lichtpunkt, der durch das Loch in der Außenwand zu sehen war, konnte gegen die Finsternis in der Zelle nichts ausrichten. Sie war ganz auf ihren Tastsinn angewiesen.
    Sie fuhr mit der Hand an der Unterkante der Zellentür entlang und stellte fest, dass das Wasser darunter durchsickerte. Der Spalt schien sehr eng zu sein, und sie hatte das Gefühl, dass das irgendwie wichtig war, auch wenn sie nicht wirklich verstand, wieso.
    Jenny rückte an das Loch heran, das sie in die Wand geschlagen hatte, und dort erwartete sie der nächste Schock. Der untere Teil der Wand fühlte sich nass an. Als sie die Hand durch das Loch steckte, stieß sie auf Wasser – es stand einige Zentimeter tief im Zwischenraum dahinter.
    Das Geräusch, das sie zuvor schon vernommen hatte, war jetzt irgendwie verändert. Da war immer noch dieser tosende, pulsierende Strom, doch jetzt war ein hallendes Plätschern und Tröpfeln hinzugekommen; es war das eifrige, fröhliche Gluckern von Wasser, das in neues Terrain einbricht, das in Tunnel und Höhlen

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