Fear
einströmt und alles, was sich ihm in den Weg stellt, ertränkt.
Während sie dasaß und lauschte, erreichte der Wasserstand im Zwischenraum das Loch, das sie geschlagen hatte, und begann über die Kante des durchfeuchteten Gipskartons zu tröpfeln. Und Jenny begriff, dass diese Wände jeden Moment nachgeben könnten.
Und würde es ihr dann noch gelingen, durch das Ständerwerk zu entkommen, ehe sie in den Fluten ertrank?
80
»Haben Sie wirklich Reece und Todd getötet?«, fragte Glenn. Er saß mit Joe im Toyota, der die Hangstraße von der Küste hinaufrumpelte. Mit Glenns Hilfe hatte Joe Bruce’ Leiche ins Meer gerollt und den Range Rover gleich hinterher. Die enorme Kraft der Strömung hatte den Wagen in die Tiefe gerissen wie ein Kinderspielzeug.
Joe war sich trotzdem noch nicht sicher, ob er Glenn wirklich trauen konnte. Er sagte nichts.
»Richtig skrupellose Schweine waren das«, fügte Glenn hinzu. »Ich hätte Sie ja nicht eingestellt. Ich meine, ich weiß ja, dass Sie früher bei der Polizei waren, aber das war schon eine Leistung. Sie waren nicht zufällig Geheimagent oder so was?«
Joe schnaubte. »Nein. Nur ein ganz gewöhnlicher Polizist.« Ehe Glenn etwas erwidern konnte, stellte Joe selbst eine ganz direkte Frage: »Hat Leon sie ermordet?«
»Was?«
»Die verschwundenen Frauen. Zuletzt Alise’ Schwester. Ich glaube, dass es vor ihr schon andere gab. Was hat Leon mit ihnen gemacht?«
Glenn lachte nervös, als ob er glaubte, einen Geisteskranken vor sich zu haben. »Ich weiß nicht, ob an diesen Geschichten irgendetwas dran ist. Wie gesagt, ich bin Di zuliebe hierhergekommen. Das ist alles.«
»Aber Sie müssen doch ein Bauchgefühl haben. Sagen Sie mir: Wenn ich sein Haus vom Dachboden bis zum Keller durchsuchen würde, würde ich irgendetwas finden?«
Glenn seufzte. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe sehr gern für Leon gearbeitet, und jetzt habe ich ihn verraten, indem ich Ihnen geholfen haben. Und das heißt, selbst wenn ich dafür, dass ich Bruce den Schädel eingeschlagen habe, nicht in den Knast wandere, habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich in Zukunft meinen Lebensunterhalt bestreiten soll.«
Sie fuhren in düsterem Schweigen weiter, während Joes Gedanken um all das kreisten, was er gesehen und gehört hatte. Ihn quälte die Vorstellung, dass er eigentlich genug Rohmaterial beisammenhätte, um das Rätsel zu lösen, wenn er nur endlich sehen könnte, wie alles zusammenhing.
Nachdem sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht hatten, waren die Folgen des Unwetters nicht mehr zu übersehen. Die schmalen Landstraßen waren zum Teil schon überflutet, und der Regen spülte große Mengen Schlamm auf die Fahrbahn. Selbst der schwere Toyota drohte bisweilen stecken zu bleiben.
Die Heizung war bis zum Anschlag aufgedreht, doch Joe schlotterte immer noch, als sie nach Trelennan hineinfuhren. Hier waren die Straßen mit umherfliegenden Trümmerteilen übersät und mit einem Netz von Rinnsalen überzogen. Um die mit Laub verstopften Gullys bildeten sich kleine Seen, und die Bäume bogen sich unter den Wassermassen, die vom Himmel stürzten.
Die Stadt wirkte trostlos und verlassen, die Straßen in der verfrühten Abenddämmerung menschenleer, alle Türen und Fenster fest verrammelt. Ein Ort im Belagerungszustand – alles hatte sich in seine Löcher verkrochen und hoffte, das Unwetter irgendwie heil zu überstehen.
Diana freute sich unbändig, sie zu sehen. Sie kämpfte mit den Tränen, als sie Joe um den Hals fiel und ihn so fest an sich drückte, dass er kaum noch Luft bekam. Dann umarmte sie Glenn, der über diese zärtliche Geste verblüfft schien.
»Ihr seid ja beide völlig durchnässt. Jetzt trocknet euch erst mal ab und zieht frische Sachen an, bevor ihr irgendetwas anderes macht.«
Dem mochten sie beide nicht widersprechen. Joe schleppte sich hinauf in sein Zimmer im Dachgeschoss, zog sich aus und stellte sich unter die brühend heiße Dusche, bis er sich wieder einigermaßen wie ein Mensch fühlte. Er zog saubere Sachen an und war nach zehn Minuten wieder unten.
Diana wartete schon mit Kaffee auf ihn, und im Toaster röstete Brot. Sie hatte gerade die Nachrichten im Radio gehört.
»Es ist das absolute Chaos. Umgestürzte Bäume, blockierte Straßen. Hochwasserwarnungen im ganzen Südwesten. Die Polizei rät der Bevölkerung, das Haus nicht zu verlassen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.«
Joe nickte. Er war überzeugt, dass das, was er vorhatte, in die
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