Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
Vom Netzwerk:
verglich ihn mit der Szenerie, die sich ihm bot. Vom westlichen Ende des Hafens, wo er jetzt stand, setzte sich die Promenade noch einen knappen Kilometer weit fort und endete an einer Stelle, wo das Land direkt am Wasser steil anstieg. Im Osten, jenseits des Hafens, erstreckte sich ein weitläufiger naturbelassener Sandstrand: keine Mole, keine Promenade, kein Deich oder Damm.
    Der Strand wurde überragt von einer fast senkrechten Steilwand aus Granit. Weiter oben ging sie in einen Berghang über, der Joe an die deutschen Alpen erinnerte: dicht bewaldet mit dunklen Felsen, die feucht zwischen den Bäumen aufblitzten. Hier und da erblickte er stattliche Häuser oder Hotels, manche aus traditionellem kornischem Stein oder Schiefer, andere im Stil der viktorianischen Neugotik mit spitzen Türmchen und hohen, schmalen Giebeln.
    Er beschloss, sich vom Hafen weg nach Westen zu wenden und herauszufinden, ob er die Stadt innerhalb von ein paar Stunden umrunden könnte. Der Geschmack der Seeluft war belebend, und seine Muskeln verlangten nach einer Gelegenheit, dieses hervorragende Frühstück abzuarbeiten.
    An der Stelle, wo die Promenade an einem Parkplatz mit Ticketautomaten endete, wiesen Schilder auf einen Küstenwanderweg hin, der um die Halbinsel herum bis zur benachbarten Bucht führte. Ein Warnschild wies Spaziergänger darauf hin, dass der Weg bei Flut gefährlich war. Eine Erkundung für einen anderen Tag, entschied Joe.
    Er wandte sich landeinwärts und ging die Crabtree Lane entlang. Die Straße stieg zunächst nur sanft an, gesäumt von bescheidenen Bungalows zur Linken und Weideland zur Rechten. Die Felder waren von niedrigen Elektrozäunen umgeben, und auch Wasser- und Futtertröge wiesen darauf hin, dass hier Rinder oder andere Tiere gehalten wurden.
    Dann verschärfte sich jäh die Steigung, und die Straße beschrieb eine Reihe enger Kurven. Joe schätzte, dass er mindestens anderthalb Kilometer bergauf gegangen war, ehe das Gelände wieder flacher wurde. Das Weideland wich einem Golfplatz, der sich über die ganze Bergkuppe erstreckte, gesprenkelt mit kleinen, geheimnisvollen Wäldchen, die Bäume vom vorherrschenden Westwind verformt.
    Je weiter er sich dem höchsten Punkt näherte, desto eindrucksvoller wurden die Anwesen – alles Neubauten, im Stil der traditionellen kornischen Häuser gehalten, jedoch drei- oder viermal so groß. An manchen wurde für Ferienwohnungen geworben; bei vielen waren die Läden geschlossen. Hier hatte fast jedes Haus eine Alarmanlage – die blauen rautenförmigen Kästen von LRS.
    Eine erfolgreiche hiesige Firma, vermutete er. Und dann bog er um die Ecke, wo der Ärger ihn schon erwartete.

    Joe erfasste die Szene mit einem Blick. Ein Daimler-Leichenwagen parkte auf der Straße vor der Einfahrt eines großen, modernen Wohnhauses. Der Motor lief, weißer Rauch quoll aus dem Auspuff und wurde vom Wind verweht.
    Ein Mann saß am Steuer, den Kopf zum Gehsteig gewandt, wo zwei Gestalten in ein Handgemenge mit ungleichen Voraussetzungen verwickelt waren. Der eine war der groß gewachsene Mann mit der rosigen Haut, den Joe mit seinen Gehilfen aus dem Pub hatte kommen sehen. Jetzt war klar, was es mit dem formellen Aufzug auf sich hatte: Der Mann war Bestatter.
    Eine junge Frau bearbeitete ihn mit wirkungslosen Faustschlägen. Sie war kaum größer als ein Meter fünfzig mit eher kompaktem als schlankem Körperbau. Bekleidet war sie mit einer schwarzen Jeans und einer Denimjacke. Ihr schulterlanges Haar war glatt und dunkel mit rötlichen Strähnchen, und ihr Gesicht hätte man hübsch nennen können, wäre es nicht vor Wut und Verzweiflung verzerrt gewesen.
    »Sie lügen mich an«, schrie sie. »Sie haben sie gesehen, ich weiß es.« Ihr Akzent war osteuropäisch. Joe hatte bei seinem Hoteljob in Manchester viel davon mitbekommen, und er konnte sich vorstellen, dass sie aus einem der baltischen Staaten stammte.
    Fast hätte ihn sein Instinkt dazu verleitet, sich auf die beiden zu stürzen, um sie zu trennen, doch sein Selbsterhaltungstrieb übernahm rechtzeitig die Kontrolle. Er verbarg sich in einer Nische in der Einfahrt des Nachbargrundstücks genau in dem Moment, als dem Bestattungsunternehmer der Geduldsfaden riss.
    Eine riesige Hand packte die Frau an der Kehle, und er stieß sie heftig gegen den Daimler. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur ein heiseres Gurgeln hervor.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nichts weiß.« Er lehnte sich weiter vor und stieß eine

Weitere Kostenlose Bücher