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Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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über die Art, wie Alise ihn unentwegt anfunkelte, täuschte Leon einen weiteren Schlag an, worauf sie so heftig zusammenfuhr, dass der Stuhl tatsächlich ein paar Zentimeter verrutschte. Wieder mussten alle lachen.
    »Ihre Bluse ist voller Blut«, bemerkte Cadwell mit bedeutungsvollem Unterton.
    »Und?«
    »Nun ja … sollten wir sie ihr nicht ausziehen?«
    »Dafür ist noch reichlich Zeit.« Leon lachte gehässig, ohne den Blick von Alise zu wenden. »Du warst heute im Café und hast so einem Kerl dein Herz ausgeschüttet. Was hast du ihm erzählt?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Du wirst mit mir reden«, sagte er ruhig.
    »Es war … dieselbe Sache wie mit anderen. Über Kamila.«
    »Das war nicht sehr klug, oder? Ich hab dir gesagt, du sollst aufhören, mich bei den Leuten schlechtzumachen. Derek hier hat dir gesagt, du sollst damit aufhören. Wir haben dich nett darum gebeten, und du hast uns ignoriert. Jetzt können wir nicht länger nett sein, und das ist deine Schuld.«
    Er schlug sie ohne Vorwarnung, diesmal mit der flachen Hand, schnell und hart, aber nicht so heftig, dass sie mit dem Stuhl umkippte. Ihr Schrei zerrte an seinen Nerven, was ihr noch eine Ohrfeige einbrachte, und dann rastete er einfach aus: Mit beiden Händen prügelte er auf sie ein, gierig, enthusiastisch, wie in Trance, berauscht vom Klatschen der Schläge, das ihre Schreie übertönte. Er hätte nicht sagen können, wie oft er sie geschlagen hatte, ehe die anderen eingriffen und ihn von ihr wegzerrten; das Einzige, was ihn interessierte, war, dass er schnell genug die Beine hochziehen und sich vorbeugen konnte, damit sie nicht sahen, wie erregt er war.
    Cadwell ging an ihm vorbei, trippelte vorsichtig um die Plastikplane herum und betrachtete das Mädchen aus sicherer Entfernung. Sie lag zusammengekrümmt da, mit dem Stuhl, der an ihrem Rücken hing wie der Prototyp eines Flugapparats. Leon sah, dass Ströme von Blut über die Folie flossen.
    »Du liebe Zeit, hast sie ja ganz schön zugerichtet«, sagte Cadwell. Der unausgesprochene Vorwurf war: Du bist zu weit gegangen.
    Leons Antwort war ein Grunzen. Mir doch egal.
    Hinter ihm sagte Fenton: »Das da wird dich vielleicht interessieren.« Er reichte Leon ein pinkfarbenes Nokia Handy. »Die SMS, die sie heute geschickt hat.«
    Leon las die Nachricht. Es ging um einen Mann namens Pearse, der in Poundbury wohnte. Eine Stelle fiel ihm besonders auf: Ks Freund.
    K wie Kamila.
    »Schau mal, an wen sie die geschickt hat«, sagte Fenton.
    Die Nummer war nur mit einem Vornamen im Adressbuch gespeichert: Joe. Und da war auch eine Antwort von ihm: Danke, Alise. Das ist ein guter Anfang. Wir sprechen uns bald.
    »Joe«, murmelte Leon. Alise war wieder zu sich gekommen, ihr Atem ging harsch und stockend, ihr Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen. Selbst Leon war ein wenig schockiert von ihrem Anblick. Hatte er das wirklich alles allein angerichtet?
    »Was hat es mit dieser SMS auf sich, die du an Joe geschickt hast?«
    Sie hob den Kopf und ließ ihn gleich wieder auf den Boden sinken. Ihr Widerstand war gebrochen – gut so. Sie versuchte zu sprechen, ihre trockenen Lippen klebten aneinander.
    »Ich … Ich habe ihn gebeten, mir zu helfen.«
    »Ach so? Tja, zu dumm. Weil dir jetzt endgültig nicht mehr zu helfen ist.«
    Jenny hatte geschlafen – wenn man in der irrealen Welt ihrer Zelle überhaupt von Schlaf sprechen konnte. Ohne ein Gefühl für Tag und Nacht, ohne Energie oder den Wunsch, sich zu bewegen, war ihre Existenz auf einen permanenten Dämmerzustand reduziert. Sie ließ sich treiben, und manchmal träumte sie sogar, während sie fühlte, wie ihre Hände die Taschenlampe umschlossen, die ihr Entführer ihr dagelassen hatte.
    Es war ein Alptraum, der sie wachrüttelte. Die Bilder, die Details verblassten sogleich wieder. Was blieb und sich nicht verdrängen ließ, war das begleitende Geräusch: ein ferner, aber durchdringender Schrei.
    Sie setzte sich auf, legte die Taschenlampe vorsichtig zwischen ihren Füßen ab und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht; vergewisserte sich, dass sie unversehrt war. Dann schlang sie sich die Arme um den Leib. Normalerweise war es zu warm in der Zelle, aber jetzt fror sie.
    Die Batterien in der Taschenlampe wurden schon schwächer. Jenny verbrachte die meiste Zeit in völliger Dunkelheit und sparte sich die wenigen Momente bei schwacher, flackernder Beleuchtung für ihre Gänge zum Eimer auf. Es kam ihr vor, als hätte ihr Entführer

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