Fear
rang mit etwas, wollte es aber nicht offen aussprechen.
»Es ist eine Frage der Prioritäten«, fuhr er fort. »Für mich ist es das Sicherste, wenn ich noch eine Weile warte, ehe ich meine Sachen aus Bristol hole. Und ich bin fest entschlossen, dir in der Zwischenzeit nicht auf der Tasche zu liegen. Ich muss Geld verdienen.«
»Joe, wie oft muss ich das noch sagen? Du bist hier als ein Freund.«
»Trotzdem, ich möchte das nicht ausnutzen. Oder dich in Verlegenheit bringen, zumal mit deinem neuen Freund.«
Diana schnaubte. »Sei nicht albern. Herrgott noch mal, ich bin einundfünfzig. Wir sind doch keine Teenager mehr.«
»Stimmt. Und für eine Beziehung ist man nie zu alt.« Er lächelte, als er sah, wie sie sich entspannte und ihre Wangen wieder ein wenig Farbe bekamen. »Willst du mir nicht von ihm erzählen?«
Verlegen antwortete sie: »Er heißt Glenn. Und er ist einige Jahre jünger als ich. Dreiundvierzig. Früher hatte er ein Baugeschäft, aber er hat den Beruf gewechselt.« Sie wirkte verlegen, aber auch, wie Joe fand, ein wenig amüsiert.
»Erzähl mir nicht, dass er Polizist geworden ist?«, sagte Joe. Schon als er den Satz aussprach, wurde ihm klar, dass die wahre Antwort ganz anders lauten würde.
»Nein«, sagte Diana. »Glenn arbeitet für Leon Race.«
26
Leon hatte es nicht bewusst darauf angelegt, die Beherrschung zu verlieren, wenn sie sich Alise vornahmen. Er musste aber die Möglichkeit vorhergesehen haben, denn er hatte beschlossen, sie in einem Zimmer mit blanken Eichendielen zu befragen. Er hatte die Sofas an die Wand rücken und unter dem einfachen Küchenstuhl, auf dem sie sitzen würde, eine dicke Plastikfolie auslegen lassen.
Den Journalisten hatten sie mit Whisky abgefüllt, ihm die Ohren vollgequatscht, bis seine Augen glasig wurden, und ihn dann in sein Hotel verfrachtet. Leon nahm noch eine Maxalt und gönnte sich ein kurzes Nickerchen. Er wachte auf, als sie gerade fünf Minuten unterwegs waren; sein Kopf war klar, und er war ganz ruhig. Als er in die Dusche stieg, um sich zu erfrischen, stellte er fest, dass er steif wurde, wenn er nur an Alise dachte, hilflos an den Stuhl gefesselt.
Nach dem Duschen schmierte er Hydrocortisonsalbe auf eine trockene Hautstelle in der Leistengegend. Die Salbe war angenehm kühl, was ihn noch mehr erregte. Er zog ein T-Shirt und eine frische Jogginghose an, blieb aber barfuß. Er liebte das Gefühl, auf verschiedenen Bodenbelägen zu gehen: Teppich, Holz, Stein. Plastikfolie.
Als er nach unten ging, hatten sie sie schon abgeladen und vorbereitet. Sie war bei Bewusstsein, ihre Haare und Kleidung unordentlich und verdreckt, ihr Gesicht totenbleich, die Augen riesengroß mit dunklen Säcken darunter. Kein hübsches Mädchen, fand Leon. Augen, Nase, Mund, alles zu groß, zu derb. Kein Gesicht, bei dem man zweimal hinschaute, oder das einem lange in Erinnerung blieb.
Sie hatten ihre Füße an die Stuhlbeine gefesselt und ihr die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden. Ihr Mund war mit Paketklebeband verschlossen. Sie sah ihn durch die offene Tür und reagierte mit Entsetzen. Dann blitzte etwas anderes auf: ein verzweifelter Appell, nicht an Leon gerichtet, sondern an den Mann, der hinter ihm aufgetaucht war.
Es war Glenn, und er wirkte unruhig. Eine Hand tief in die Tasche geschoben, als wollte er Taschenbillard spielen.
»Ich muss dann mal los«, sagte er.
»Willst du nicht bleiben? Wird bestimmt lustig.«
»Ich habe Di versprochen, dass ich vorbeikomme.«
»Stehst ja ganz schön unter ihrer Fuchtel.«
Glenn sah ihn finster an. »Du wolltest doch mehr Informationen von Diana, oder nicht?«
»Was denn, willst du sie etwa auch an einen Stuhl fesseln? Da will ich aber dabei sein.«
»Lass das.« Glenn zog sich zurück, während Fenton herbeigewatschelt kam, um sich seinen Platz in der ersten Reihe zu sichern.
»Na los, lauf schon zu deinem Frauchen.« Leon setzte eine besorgte Miene auf und sah auf die Uhr. »Solltest dich vielleicht lieber beeilen.«
»Wieso?«
»Na ja, weil sie inzwischen bestimmt mit Joe vögelt, nicht wahr?«
»Wenn du Glück hast, erwischst du sie in flagranti«, warf Fenton ein.
»Beim In-Diana-Spielen«, sagte Leon und lachte meckernd.
Sie sahen Glenn nach, als er davonschlich wie der einzige Junge in der Clique, der zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein muss. Fenton rieb sich die Hände, und seine Augen funkelten vor Gier, als er sagte: »Sind wir so weit?«
»Derek ist noch nicht da. Wir fangen ohne
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