Fear
Smith gegen Mittag zurückrief, war Leon schon vorbereitet.
»Der Mann ist ein totaler Loser«, sagte Glenn. Er hatte den Vormittag damit zugebracht, seine Kontakte um Informationen anzugehen. »Schon seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Seine Frau ist gestorben; die Kinder haben sich irgendwohin abgesetzt. Milligan und die ganze Bagage wollen nichts mehr mit ihm zu schaffen haben. Er schlägt sich angeblich mehr schlecht als recht durch, indem er gestohlenes Kupfer verkauft, und das auch nur, weil sein Schwager Altmetallhändler ist.« Er warf Leon einen verzagten Blick zu. »Ach ja, und ein Sozialbetrüger ist er auch – kassiert zu Unrecht Invalidenrente.«
»Abschaum.« Leon spuckte aus. Er hielt nichts von Sozialhilfe – man sollte entweder auf seinen eigenen Füßen stehen können oder verhungern. Und wenn einer verhungerte, hatte er eben Pech gehabt …
Glenns Miene verriet, dass er eine Schimpftirade erwartete. Leon atmete tief durch und beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
»Wenn alle ihn schneiden«, meldete sich Fenton zu Wort, »wie hat er dann das Foto von Joe zu Gesicht bekommen?«
»Er ist Stammgast in einem der Pubs, in dem sich auch Milligans Leute rumtreiben. Hört sich an, als ob er immer um sie rumscharwenzelt in der Hoffnung, sich wieder einschleimen zu können.«
»Wird er es schaffen?«
»Keine Chance. Milligan hat sich ganz auf Wirtschaftskriminalität verlegt. Macht ein Vermögen mit Versicherungsbetrug – Schleudertrauma und solche Geschichten. Die Bullen interessieren sich einen Scheißdreck dafür. Leicht verdientes Geld.«
Leons Miene verfinsterte sich. Er hatte die Chance gehabt, in ein paar ähnliche Projekte einzusteigen, und sich dagegen entschieden. Stichelte Glenn etwa gegen ihn?
Gereizt sagte er: »Und wo wohnt er denn nun?«
»Möglicherweise in Tunstall, wo immer das ist.«
»Stoke-on-Trent, wenn ich mich recht erinnere«, antwortete Fenton. Als Glenn ihn weiter verständnislos ansah, fügte er hinzu: »In den West Midlands. Zwischen Birmingham und Manchester.«
»Geografie ist nicht dein Ding was, Glenn?«, meinte Leon. »Na ja, dann ist es ja gut, wenn du mal da warst; dann weißt du es für die Zukunft.«
Glenn ließ die Schultern hängen. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Doch, natürlich. Ich will eine Adresse, und zwar bis heute Abend.«
Und dann der Anruf selbst. Leon wollte Smith nicht verschrecken, indem er das Telefon auf Lautsprecher stellte, also mussten Fenton und Glenn sich einen Hörer teilen, aneinandergeschmiegt wie ein Liebespaar im Kino.
»Mr Race. Ich nehme an, Sie hatten inzwischen Zeit, sich die Sache zu überlegen?«
»Fünfzigtausend. Wenn die Information gut genug ist. Sie bekommen die Hälfte im Voraus und den Rest, wenn wir sicher sind, dass alles stimmt.«
»Ich sagte hundert…«
»Fünfzig«, wiederholte Leon. »Zahlbar in zwei Raten. Ich feilsche nicht.«
»Wenn das so ist, kommen wir nicht ins Geschäft.«
»Dieses Foto ist an sehr viele Leute gegangen. Ich hatte schon einige vielversprechende Anrufe.«
»Tja, ist ja klar, dass Sie das sagen …«
Sie hörten alle die Verzweiflung, die sich in Smiths Stimme einschlich. Leon zog die Nase hoch.
»Ja. Das sage ich allerdings. Also hören Sie verdammt noch mal auf, mir die Zeit zu stehlen. Fünfzig oder gar nichts.«
Eine lange, nachdenkliche Stille. Und dann knickte er ein.
»Also schön. Fünfzigtausend in gebrauchten Scheinen.« Smiths Ton wurde weinerlich und entschuldigend. »Sie verstehen doch, dass ich vorsichtig sein muss? Die Situation ist wirklich nicht einfach.«
»Hören Sie, ich bin Geschäftsmann. Ich bin auf einen guten Deal aus, aber ich werde Sie nicht hintergehen. Wenn das, was Sie haben, für mich von Wert ist, dann werde ich Sie dafür bezahlen. So einfach ist das.«
»Und was ist mit den Details? Dem Wo und Wann?«
»Allein schon in Ihrem Interesse muss es morgen über die Bühne gehen. Das mit diesen anderen Anrufen habe ich ernst gemeint. Sie wissen doch, wo ich sitze, nicht wahr?«
»In Cornwall, oder?«
»Genau. An der Nordküste. Die Stadt heißt Trelennan. Haben Sie was zu schreiben da? Dann gebe ich Ihnen die Adresse.«
»Ich komm nicht zu Ihnen nach Hause. Nix für ungut, aber am Ende geh ich da rein und krieg eins übern Schädel gezogen oder so …«
Leon seufzte. Er nahm das Telefon vom Ohr, wohl wissend, dass Smith die Veränderung des Hintergrundgeräuschs registrieren würde. Er hatte diesen Einwand vorhergesehen.
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