Fear
nicht. Ich verstehe nur nicht, warum ihr beiden mich so ins Fettnäpfchen habt latschen lassen.«
»Wegen des Unterhaltungswerts?« Sie lachte. »Nein, im Ernst, ich habe nichts gesagt, weil ich es nicht für relevant hielt. Diana mag da anderer Meinung sein. Ihre Art, mit ihren Schuldgefühlen umzugehen, besteht darin, mich als Rivalin zu betrachten. Als eine verbitterte, nachtragende Frau, die verzweifelt versucht, ihren Mann zurückzugewinnen. Dass Sie hier sind, könnte man als meine Chance betrachten, mich auf angemessenere Weise zu rächen.«
Joe schüttelte den Kopf. »Jetzt komme ich nicht mehr mit.« Aber das stimmte nicht ganz. »Inwiefern hat Diana sich schuldig gemacht?«, fragte er.
»Glenn und ich waren noch verheiratet, als ihre Affäre begann. Ein angenehmer Nebeneffekt seines Jobs, verstehen Sie?« Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln. »Ich habe nie verstanden, warum er immer lieber Renovierungen und Anbauten übernommen hat als Neubauten. Nach unserer Trennung hat er zugegeben, dass er auf diese Weise mehr Gelegenheit hatte, mit gelangweilten Hausfrauen und nicht berufstätigen Müttern zu vögeln. Macht ja auch wesentlich mehr Spaß, als seine Tage auf matschigen Baustellen in Gesellschaft lauter Mannsbilder mit Maurerdekolletés zu verbringen.«
»Hat es da angefangen, während der Baumaßnahme?«, fragte Joe. »Aber da hat Roy doch noch gelebt …«
»Ich weiß es nicht sicher«, sagte Ellie rasch, und er fragte sich, ob sie nur seine Gefühle schonen wollte. »Sagen wir es mal so: Ich glaube nicht, dass die Tatsache, dass Diana verheiratet war, Glenn abgeschreckt hätte. Es tut mir leid.«
Joe seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich bin sprachlos. Das hätte ich von Diana nicht gedacht …« Er erinnerte sich an die Abschiedsfeier und an Dianas Klage: Es ist nicht meine Zukunft. Joe hatte den Fehler gemacht, ihre Ängste nicht ernst zu nehmen, und Roy vielleicht noch mehr. »Das muss für Sie ja ganz furchtbar gewesen sein.«
»Ja und nein.« Sie mied eine Weile seinen Blick und starrte stattdessen in ihr Glas. »Um ehrlich zu sein, in unserer Ehe war auch schon vorher nicht alles eitel Sonnenschein. Ich hatte immer schon den Verdacht, dass er fremdging. Damals wusste ich noch nicht, dass er zwei Tage vor unserer Hochzeit mit einer meiner besten Freundinnen geschlafen hatte.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Ja, aber er kann nicht aus seiner Haut. Der geborene Frauenheld.« Sie drehten sich beide gleichzeitig zu den Fotos auf dem Kaminsims um. Joe sah jetzt, dass Alec seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war: die gleichen markanten Züge, das gleiche freche Blitzen in den Augen.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte Ellie: »Bitte sagen Sie es nicht – das ist meine größte Angst. Ich hoffe nur, dass es mir gelungen ist, ihm ein bisschen mehr Respekt beizubringen. Ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein. Obwohl ich fairerweise sagen muss, dass Glenn gar kein so schlechter Vater gewesen ist.«
»Das ist jetzt sehr unhöflich von mir, aber wenn Ihr Sohn einundzwanzig ist, wie alt waren Sie dann, als Sie ihn bekommen haben?«
Sie lachte. »Das ist nicht unhöflich. Ich fasse es lieber als Kompliment auf. Alec wurde gezeugt, als ich sechzehn war. Mit siebzehn war ich Mutter.«
»Und Glenn?«
»Er war zweiundzwanzig. Fünf Jahre älter als ich.«
»Ach du Schande. Da waren Ihre Eltern sicher hellauf begeistert?«
»Sie wussten nichts.«
»Was?«
»Ich bin von zu Hause weggelaufen, als ich im vierten Monat war.«
Ellie ging kurz hinaus, um nach dem Essen zu sehen, kam dann mit der Weinflasche zurück und füllte ihre Gläser auf. Sie erzählte, dass sie in Oxford aufgewachsen war und die Ferien regelmäßig mit der Familie in Trelennan verbracht hatte. Mit fünfzehn hatte sie einen Urlaubsflirt mit Glenn gehabt, der im folgenden Jahr wieder aufgeflammt war. Später hatte sie entdeckt, dass sie schwanger war.
»Ich wusste, dass meine Eltern ausflippen würden. Sie hatten sich ausgemalt, dass sie mich auf die Universität schicken würden, wo ich einen glänzenden Abschluss machen würde, um anschließend eine Karriere einzuschlagen, einen netten Arzt oder Anwalt aus guter Familie kennenzulernen und ihnen zum angemessenen Zeitpunkt Enkelkinder zu schenken – aber auch keinen Moment früher.«
»Also sind Sie abgehauen? Und Glenn hat Sie aufgenommen?«
»Nicht direkt. Ich bin eines Abends hier aufgekreuzt und habe verkündet, dass ich ein Kind
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