Fear
auf ein dreieckiges Stück Toast. Erst mal eine ordentliche Unterlage schaffen, das würde ihm guttun. Er brauchte einen klaren Kopf, musste sich auf das konzentrieren, wofür er gekommen war.
Der Zahltag seines Lebens. Das würde seine Altersversorgung sein, und er war fest entschlossen, sich damit zu Tode zu saufen, zu rauchen, zu schnupfen, zu schlucken und zu spritzen. Vielleicht würde er das ein Jahr lang durchhalten, vielleicht auch anderthalb. Und dann etwas früh, aber dafür glücklich in die Grube fahren.
Die Pastete war unglaublich gut. Vic wünschte, er hätte sie langsamer gegessen, aber na ja, zu spät. Nachdem sie seinen Teller abgeräumt hatten, schien es keine zwei Minuten zu dauern, bis der Hauptgang serviert wurde; das Huhn auf seinem eigenen Teller und dazu eine Schüssel voll dick geschnittene Edelpommes. Dazu noch mal ein Pint Guinness und auch ein Brandy.
Hatte er die bestellt?
»Mann, das nenn ich eine prompte Bedienung«, sagte er zu dem Kellner, der nur »Danke« murmelte. Vic fragte sich, ob hier alle so hofiert wurden – oder war das nur wegen Leon Race?
Er sah sich im Lokal um, das immer noch voll war mit Gästen, die aßen und tranken und redeten. Und die immer noch seinen Blicken auswichen. Auf jeden Fall sahen sie alle aus, als wären sie froh, hier zu sein, und warum auch nicht? Tolles Essen, Superservice. Nur eine winzige Kleinigkeit bereitete ihm Unbehagen, aber er kam ums Verrecken nicht drauf, was es war.
Na, egal. Als Nächstes kam der Lachs: so leicht und zart, dass er auf der Zunge zerging. Sogar das Gemüse war ganz schmackhaft, wenn auch ein bisschen fest. Er war kein Essen gewohnt, das man gründlich kauen musste, davon tat ihm der Kiefer weh. Die Pommes gingen noch problemlos rein, aber vor dem Huhn, das er als Beilage bestellt hatte, musste er kapitulieren. Er ließ die Hälfte liegen.
Vic schob den Teller weg, lehnte sich zurück und rülpste. Mann, er fühlte sich, als müsste er jeden Moment platzen. Wie dieser Typ in dem Monty-Python-Film. Aber das war gar nicht zum Lachen. Er wollte nicht kotzen, hier vor all den Leuten …
Da war wieder dieses komische Gefühl – was war es bloß?
Er sah zur Tür und dann auf sein Handgelenk. Alte Gewohnheiten … Seine Armbanduhr hatte er schon vor Monaten versetzt. Der Kellner stand schon bereit, um den Tisch abzuräumen. Vic winkte ihn her.
»Sind Sie fertig, Sir?«
»Ja, aber lassen Sie das Huhn stehen, ich ess vielleicht noch was davon. Wie viel Uhr ist es?«
»Zwei Minuten nach zehn, Sir.«
»Sie wissen nicht zufällig, wann …?«
Ein Geräusch am anderen Ende des Raums – die innere Tür wurde geöffnet. Ein kalter Luftzug wehte herein, weil die äußere Tür sich nicht rechtzeitig geschlossen hatte. Der Kellner lächelte.
»Da kommt er gerade, Sir.«
Jetzt wusste Victor, was ihn so beunruhigt hatte, aber es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Denn schon kam Leon Race auf ihn zumarschiert, als ob der Laden ihm gehörte, mit hoch erhobenem Haupt, die Schultern gestrafft. Ein zweiter Mann watschelte hinter ihm drein: Fenton, genau wie Leon es gesagt hatte. Fenton, der Mann fürs Geld. Der Zahlmeister.
Die Tür war vorher kein einziges Mal aufgegangen. Vic war jetzt fast anderthalb Stunden hier, und in dieser Zeit war niemand sonst gekommen oder gegangen …
Außer er hätte es nicht mitbekommen. Er hatte ja schon ganz ordentlich einen in der Krone. Aber das Lokal war voll gewesen, als er gekommen war, und jetzt war es immer noch voll. Das kam ihm doch etwas seltsam vor.
Und dann stand Leon vor ihm. Er war größer und stämmiger, als Vic ihn von ihrer bisher einzigen Begegnung in Erinnerung hatte. Blondes Haar und ein rundes rosiges Gesicht wie ein übergewichtiges Baby. Aber die Augen hatten so gar nichts von einem süßen Baby.
»Ich kenne Sie doch, nicht wahr?« Leon kniff die Augen zusammen, als ob er sein Gedächtnis durchforschte, aber es wirkte irgendwie aufgesetzt.
»Vic Smith. Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als ich mit Larry Milligan zusammengearbeitet habe.«
»Sie haben für Larry gearbeitet. Stimmt.« Leon sah Fenton an, der nickte, als wäre das hier eine nette Gelegenheit, alte Freunde wiederzusehen. Es machte Vic nervös, aber es erinnerte ihn daran, dass Leon Wort gehalten hatte: nur er und Fenton, in einem gut besuchten Lokal. Und als Gastgeber hatte er sich wahrlich nicht lumpen lassen.
»Tut mir leid, dass ich nicht ganz … äh, aufrichtig war, Mr Race«,
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