Fear
nämlich neugierig.«
Sie hatte die eine Flasche in den Kühlschrank gelegt; jetzt gab sie ihm die andere zurück, zusammen mit einem Korkenzieher in Form eines Weihnachtsbaums. »Würden Sie so freundlich sein?«
Er stand neben ihr an der Arbeitsplatte, während sie einen Oberschrank öffnete und zwei große bauchige Weingläser herausnahm.
»Sie sind nicht mehr zusammen?«, fragte er.
»Wir haben uns vor sechs Jahren getrennt. Inzwischen sind wir geschieden. Rechtskräftig und endgültig.« Sie trat einen Schritt zur Seite und sah zu, wie er den Wein einschenkte. »Und ohne ihn geht es mir viel besser.«
»Aber Sie haben nicht wieder geheiratet? Oder jemand Neues kennengelernt?«
»Ich hatte seitdem zwei kürzere Beziehungen. Der Erste war eine Katastrophe – der klassische Fall von Lückenfüller. Der Zweite …« Sie verzog das Gesicht. »Der benahm sich immer, als könnte er sein Glück nicht fassen.«
»Verständlich.«
»Haha. Vielen Dank. Je mehr er mich bedrängt hat, desto weniger hat er mich interessiert. Nach so einer Erfahrung wird das Singledasein plötzlich ganz attraktiv. Und wie ist das bei Ihnen?«
Joe musste grinsen angesichts der Geschwindigkeit, mit der sie den Spieß umgedreht hatte.
»Ich lebe getrennt. Seit etwa vier Jahren.« Er bemühte sich, das Beben in seiner Stimme zu unterdrücken, doch er war sich sicher, dass sie etwas gemerkt hatte.
»Kinder?«
»Zwei Mädchen. Amy und Hannah.« Joe lächelte, wie immer, wenn er über die beiden sprach. Er wünschte, Ellie würde ihn nicht so intensiv mustern.
»Sie scheinen sie nicht allzu oft zu sehen.« Eine Beobachtung, keine Frage.
»Es ist kompliziert. Auch so ein Klischee, was?«
Sie spürte seine Traurigkeit, die sich in ihrer eigenen Miene widerspiegelte. »Wissen Sie, normalerweise stecke ich meine Nase ja nur zu gerne in anderer Leute Angelegenheiten, aber in diesem Fall werde ich nicht weiter bohren.«
»Das weiß ich zu schätzen.«
Ellie hob ihr Weinglas. »Auf die Familie – wo immer sie sein mag.«
»Auf die Familie«, erwiderte Joe, und sie stießen an – ein leises, sprödes Klirren, so ähnlich, wie man sich das Geräusch eines brechenden Herzens vorstellen mochte.
Sie meinte, das Essen würde noch eine Weile brauchen, und schlug vor, ins Wohnzimmer zu gehen. Es war kleiner als die Küche mit einer hellblauen geblümten Tapete und einem tiefen cremefarbenen Teppich. Links und rechts vom Kaminvorsprung standen Regale voller Bücher, und es gab einen Gasofen mit modernem Chromgehäuse.
Joe hatte die Wahl zwischen einem Sofa und zwei Sesseln. Er entschied sich für das eine Ende des Sofas, während Ellie am anderen Ende Platz nahm und einen Satz Beistelltischchen für ihre Gläser auseinanderzog.
»War die Trennung von Ihrem Mann einvernehmlich?«
»Anfangs nicht, aber heute kommen wir ganz gut miteinander aus. Leider kann ich das Gleiche von seiner derzeitigen Lebensgefährtin nicht behaupten.«
Er bemerkte den verbitterten Ton in ihrer Stimme und verzog mitfühlend das Gesicht. Im gleichen Moment bemerkte er ein paar Fotos auf dem Kaminsims. Sie zeigten einen attraktiven breitschultrigen jungen Mann von achtzehn oder neunzehn Jahren mit dunklem Haarschopf und charmantem Lächeln. Joe erkannte sofort die Ähnlichkeit mit Ellie, aber das Gesicht erinnerte ihn noch an jemand anderen …
»Sie sehen verwirrt aus«, bemerkte Ellie.
»Verzeihung, aber ist das …?« Joe deutete auf die Fotos.
»Mein Sohn Alec. Er ist einundzwanzig; studiert Englische Literatur in Durham.«
Joe starrte die Fotos weiter wie gebannt an; die Ähnlichkeit war überwältigend …
Mit einer Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien, sagte er: »Ihr Exmann hat den Anbau selbst gemacht? Er ist also im Baugewerbe?«
» War . Er hat das Geschäft aufgegeben, aus unerfindlichen Gründen.« Sarkastisch fügte sie hinzu: »Ich führe es auf eine Midlife-Crisis zurück.«
Joe stöhnte. Jetzt, da ihm alles klar vor Augen stand, konnte er nicht begreifen, dass er nicht eher daraufgekommen war.
»Es ist Glenn, nicht wahr? Sie waren mit Glenn Hicks verheiratet.«
44
Victor war schon vor der vereinbarten Zeit da und drückte sich im Schatten vor dem Pub herum. Er hatte Angst hineinzugehen und konnte es zugleich kaum erwarten. Es war eine andere Welt da drin, ein anderes Universum, dieses voll besetzte, hell erleuchtete und wahrscheinlich teure Lokal, wo einer wie er sich immer fehl am Platz fühlen würde.
Also stand er noch ein
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