FebruarNachtsTraum
Wohnzimmer, auf Alexanders Schritte und das Quietschen des Sofas. Dann folgen wieder Schritte, meine Tür öffnet sich erneut.
»Ich schlafe immer noch!«, rufe ich munter. Als die Antwort ausbleibt, schaue ich abwartend zu Alexander. »Was ist los?«
Er verlagert sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Jede Menge Sekunden verstreichen. Dann atmet er tief durch. »Es tut mir Leid, Elizabeth.«
Träume ich? Sofort stütze ich mich auf die Ellenbogen, um Alexander besser sehen zu können. Da sind sie, einfach so, vier kleine Worte, fünf, wenn man es genau nimmt, wobei der Klang des letzten mein Herz wild schlagen lässt. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, komplettes Stimmbandversagen.
»So bin ich normalerweise nicht, Elizabeth. Ich war einfach nur wütend … besorgt … erleichtert … müde.« Alexander lacht freudlos. »Roman hat mir eine lange Standpauke gehalten.« Seine Hand durchkämmt unsicher die Haare und er verlagert sein Gewicht. »Du hattest Recht, er würde nie zulassen, dass dich jemand übers Knie legt.« Es ist so still, dass ich seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge bis zu meinem Bett höre. »Du bist jemand ganz Besonderes, Miss Energy, okay? Und die letzte Nacht tut mir wirklich Leid. Das wollte ich dir nur sagen. Und egal, was ich zuvor gehört habe, dein Veggie-Burger hat großartig geschmeckt. Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal sagen würde.«
»In Ordnung«, flüstere ich und bin überrascht, wie dünn meine Stimme klingt. Was fällt wohl alles unter Alexanders Entschuldigung? Sein Herumgebrülle? Der Terror in Katharinas Wohnung? Die Tatsache, dass er mir mit Absicht nachts die Decke weggezogen hat? Dass er grob geworden ist? Dass ich geweint habe? Alles zusammen?
Ich räuspere mich. Wenn er sich gerade schuldig fühlt, dann ist das meine Chance, seine Reue auszunutzen. »Hast du nun eine Freundin, oder nicht?« Die Frage wird mehr und mehr zum Beziehungstest. Vertrauen wir uns oder nicht?
»Netter Versuch, Elizabeth. Gute Nacht!« Leise schließt Alexander die Tür und im Dunkeln höre ich wieder das gleichmäßige Knarzen der Dielen und dann das Sofa und dann nichts.
Die Stille, die sich über meine Wohnung legt, spricht für sich. Wir stehen erst ganz am Anfang. Und nachdem die erste Woche vorbei ist, glaube ich nicht, dass sich das jemals ändern wird. Romans Freund will nicht meiner sein. Gut so.
- 13 -
»Ich will Spritzen. Viele Spritzen!«, ist mein erstes Wort, bevor wir uns in Begrüßungsfloskeln ergehen.
»Guten Morgen, Frau Schneider. Wir haben Sie schon erwartet.«
Mit einem langen Gesicht sehe ich meine Zahnärztin Frau Dr. Hammerwurf an. Gut ist an diesem Morgen gar nichts. Von der nahe gelegenen St. Joseph Kirche läuten Glocken, als hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Aber ich habe so lange auf den Termin gewartet, dass ich ihn, nur weil ich plötzlich einen Bodyguard habe, nicht absagen werde!
Alexander hilft mir aus dem Mantel und beugt sich dabei zu mir. »Keine Sorge, Roman hat mich schon vorgewarnt, dass Ärzte nicht so ganz deins sind.«
Dann wird er gleich aus allen Wolken fallen. Denn von meiner ausgeprägten weitaus schlimmeren Zahnarztphobie weiß mein Freund noch nichts. Also ist auch Alexander ahnungslos. Vielleicht hätte ich irgendwie versuchen sollen, ihn abzuhängen.
»Ich habe im Januar ganz schön viel Süßes gegessen. Es war ein anstrengender Monat«, flüstere ich meinem Bodyguard vertraulich zu.
»Verstehe. Ich verrate es der Ärztin nicht«, flüstert er im gleichen komplizenhaften Tonfall zurück und zwinkert mir zu. »Aber vielleicht Roman.«
Kein guter Witz. Vor lauter Aufregung fällt mir darauf nichts Schlaues ein.
»Frau Schneider, das Procedere ist wie immer. Wir schauen erstmal. Einverstanden?« Die Ärztin nickt zuversichtlich und will mich animieren mitzumachen.
Also gut, fangen wir an. Ich nehme gequält Platz und öffne zögerlich meinen Mund. Das Geräusch der Instrumente an meinen Zähnen lässt mir die Haare zu Bergen stehen und ein etwas anderes Prickeln breitet sich auf meiner Haut aus. Ich kralle mich in die Lehne des Behandlungsstuhls und zucke bei jeder Berührung zusammen.
»Das sieht wirklich alles gut aus, Frau Schneider.« Die Stimme von Frau Dr. Hammerwurf ist konzentriert und ruhig. Sie arbeitet sich Zahn für Zahn durch meinen Mund, stochert hier und pustet dort. »Wirklich gut!« Sie klingt erstaunt.
Sollte es so sein, dass mir nichts passiert? Das wäre ja toll und … »Ahhh!«
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