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Federschwingen

Federschwingen

Titel: Federschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Seidel
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auf Lager hatte.
    „Wieso sollte es?“, stellte Erael die Gegenfrage, mit der Dantalion nicht gerechnet hatte. Noch nie hatte er erklären müssen, warum andere das störte.
    „Nun ... also Gedanken sind normalerweise etwas, das ausschließlich für einen selbst ist, etwas Geheimes, Intimes.“
    Erael zuckte mit den Schultern und blickte dabei so gelassen, dass Dantalion nicht umhin kam, ihn abermals zu bewundern.
    „Ich habe nichts zu verbergen“, sagte Erael leichthin. „Ich sage, was ich denke und andersherum. Eigentlich sollte jeder aufrichtig genug sein, sodass man sich nicht für seine Gedanken schämen muss.“
    Er konnte sich nicht helfen, irgendwie verursachten Eraels Worte bei Dantalion ein furchtbar schlechtes Gewissen. Dieses Gefühl war ihm selbst bisher völlig unbekannt gewesen, aber er hatte davon oft genug in fremden Gedanken davon gehört. Einen Moment lang stellte er sich vor, was ein anderer Telepath in seinen Gedanken finden könnte. Müsste er sich schämen? Ja. In Grund und Boden. Und nein, schließlich war er ein Dämon. Das, was er tat, war für ihn normal, genetisch bedingt, sozusagen.
    Wirklich interessant aber war, dass Dantalion sich erst jetzt, im Gespräch mit Erael, Gedanken darüber machte, ob sein Handeln und seine Gedanken richtig oder falsch waren, zumindest nach den ethischen Gesichtspunkten der Engel. Eigentlich waren Richtig und Falsch ja nur subjektive Maßstäbe, immerhin war es für einen Dämonen durchaus richtig, die Verfehlungen der Menschen auszunutzen.
    An Eraels fragendem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sein Schweigen anscheinend zu lange dauerte, also zuckte er die Schultern und breitete beiläufig seine Schwingen aus, sein Äquivalent zu laszivem Strecken. Balzgehabe , schoss ihm durch den Kopf. Und wenn schon!
    „Wann gehen wir essen?“ Damit kam er punktgenau auf ihr vorheriges Thema zu sprechen, und beobachtete, wie Erael irritiert stutzte. Wahrscheinlich war dieser Gedankensprung zu groß, um ohne Weiteres verfolgt werden zu können. Daran würde sich Erael gewöhnen.
    „Nun, dieses Wochenende habe ich Zeit. Am Samstagnachmittag“, sagte Erael.
    „Zu einem Date verabredet man sich üblicherweise abends.“
    Erael schüttelte den Kopf. „Niemand hat etwas von einem Date gesagt. Du wolltest mit mir Kaffee trinken. Und Kaffee trinkt man morgens. Oder nachmittags.“
    Rein rationale, logische Schlussfolgerung. Konnte Erael sich wirklich nicht denken, was Dantalion in Wahrheit mit ihm vorhatte? Garantiert konnte er das, sonst wäre er vorhin nicht so rot geworden. Das war vermutlich der Grund, warum er sich nachmittags und nicht abends treffen wollte. Das Engelchen fühlte sich sicherer, wenn die Bettchengehzeit noch fern war.
    „Ich dachte, wir gehen essen?“ Dantalion konnte nicht verhindern, dass er gelinde enttäuscht klang. Kaffeetrinken. Kinderkram!
    „Du hast mir die Wahl gelassen. Ich habe mich für ein Café entschieden.“
    Dantalion konnte sich irren, allerdings glaubte er, in den strahlendblauen Iriden ein deutliches Aufblitzen von Schalk zu erkennen. Wollte Erael ihn hier gerade ärgern? Das konnte er aber vergessen!
„In Ordnung. Samstagnachmittag, Kaffeetrinken. Den Namen des Cafés teile ich dir in nächster Zeit mit.“ Aber wer sagte, dass man am Nachmittag keinen Sex haben konnte? Dantalion nahm sich fest vor, Erael so in Versuchung zu führen, dass der gar nicht anders konnte, als seiner Libido nachzugeben, die Engel ebenfalls besaßen – wie Zamael eindrücklich bewiesen hatte.
    „Meine Telefonnummer bekommst du nicht“, sagte Erael und klang dabei so zickig, dass Dantalion die Augen verdrehte.
    „Die brauch ich auch nicht“, blaffte er zurück.
    „Dann bin ich ja gespannt, wie du mir den Treffpunkt sagen willst.“
    Auf einmal hatte Dantalion das dringende Bedürfnis, Erael vom Dach zu schubsen. Was bei einem Engel natürlich sehr sinnlos gewesen wäre … Der widerspenstige Ton machte ihn richtiggehend aggressiv.
    „Das wirst du schon noch erleben!“, fauchte er, spreizte seine Schwingen, stieß sich ab und schoss mit einem kräftigen Flügelschlag in den Nachthimmel. Dieses ganze Gespräch mit Erael, vor allem aber der giftige Tenor zum Schluss, hatte ihn so durcheinandergebracht, dass ihm erst einfiel, seine Schmuggler alleingelassen zu haben, als er beinahe zuhause war.
     
    Samstag. Warum hatte er nur Samstag gesagt? Erael ärgerte sich über sich selbst, schließlich würde er jetzt de n Rest der Woche damit

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