Fee und der Schlangenkrieger
schweigend ihr Frühstück. Fee fragte sich, ob die junge Frau jetzt zu ihren Eltern zurückgehen oder ob sie nach Frejas Tod trotzdem bei Lenyal bleiben würde. Ihr war jedoch nicht danach zumute, ein Gespräch zu beginnen.
Lenyal kam aus dem hinteren Teil des Hauses.
„Hannaj“, sagte er und blieb zögernd vor ihr stehen, „ich habe hier einige Sachen, von denen Freja wollte, dass du sie bekommst.“
Überrascht nahm Fee das Bündel entgegen. Es waren einige Schmuckstücke, Arm- und Beinberge mit den Spiralenden, die sie alle trugen, ein Armring und eine Spiralkopfnadel. Jetzt hatte sie ihre Nadel. Fee lächelte traurig.
„Sie wollte, dass ich das habe?“
„Ja“, sagte Lenyal.
Fee betrachte die Spiralen. Sie wusste nicht, ob sie diese Schmuckstücke tragen würde. Sie wollte nicht mit Symbolen durch die Gegend laufen, die jedem ins Gesicht sprangen und verkündeten, dass sie zum Schlangenvolk gehörte. Sie war schließlich nicht freiwillig auf seiner Seite. Andererseits hatte sie die Spiralen schon vorher getragen, aufgestickt auf ihre Kleidung und es hatte ihr auch nichts ausgemacht. Ach, sie wäre einfach lieber der Entscheidung aus dem Weg gegangen und sie nahm es Lenyal übel, dass er sie gezwungen hatte, Stellung zu beziehen. Die Spiralen an sich gefielen ihr. Besser als die Sonnenräder. Und sie waren von Freja. Natürlich würde sie sie tragen.
„Da ist auch noch das hier.“
„Ihr Schwert?“
Lenyal hielt ihr Frejas Waffe mit beiden Händen hin. Fee stand auf und legte vorsichtig die rechte Hand auf die Schneide. Juja beobachtete Fee und Lenyal mit Augen. Die älter schienen als ihre neunzehn Jahre.
„Ja“, sagte Lenyal und sah Fee an. „Sie wusste, dass du kämpfen lernen möchtest. Und sie hatte keine Töchter, denen sie es hinterlassen könnte. Sie wollte, dass du es bekommst.“
Fee zog die Hand zurück. Ihr kamen schon wieder Tränen. Diesmal um Freja. Sie ballte die Hand zur Faust und senkte den Blick.
Lenyal beugte sich vor, griff hinter ihren Rücken und legte Fee den Schwertgürtel um. Fee sah ihn nicht an. Er war ihr zu nahe. Sie ärgerte sich, dass ihr Herz so heftig schlug. Ein einziges Mal war er ihr so nahe gewesen, als er ihr Haar berührt hatte, beim Schlangenfest. Als sie noch gedacht hatte, er wäre ein Mann, den man mögen konnte.
Lenyal schob Frejas Schwert in den Schwerthalter an ihrer Seite. Fee hob den Kopf.
„Reite mit mir“, bat Lenyal. Fee warf Juja einen Blick zu. Juja lächelte ihr ermutigend zu. Fee griff nach ihrem Fleece.
Draußen war es hell nach der Dunkelheit im Haus. Sie gingen zur Koppel, zäumten Kalaro und Pulsah, eine von Frejas Stuten, auf und ritten in den Wald. Fee wusste nicht, wo Lenyal hinwollte, oder warum sie überhaupt mitkam, aber sie folgte ihm. Er ritt vor ihr auf Kalaro. Sie sah nur seinen Rücken, die Haare, die im Wind wehten und wie er den Kopf senkte, um Zweigen auszuweichen. Die Bäume hatten nun kleine strahlendgrüne Blätter, es war ein sonniger Frühlingstag und Fee merkte, wie gut es tat durch den Wald zu galoppieren, sich zu bewegen und draußen zu sein.
Lenyal hielt an einem Großsteingrab und sprang von Kalaros Rücken. Fee stieg langsam von ihrem Pferd. Die Steine kamen ihr bekannt vor.
„War ich hier schonmal?“
„Ja“, antwortete Lenyal, „der kürzeste Weg von uns zum Sonnendorf führt hier vorbei. Als wir dich zu uns brachten, kamen wir hier vorbei.“
Fee nickte. Lenyal legte eine Hand flach auf den Deckstein. Er ging ihm bis zur Brust. Fee wurde traurig, als sie ihn so sah. Er trug seine schwarze Lederhose, seine Stiefel und seine schwarze Tunika. Seine Haare glänzten im Sonnenlicht und sein Gesicht trug den neutralen Ausdruck, an dem er sich so festklammerte. Fee hatte das Gefühl, ihn ewig zu kennen. In dem Moment wurde ihr klar, dass sie ihn trotz allem mochte und dass sie nicht mehr wütend auf ihn sein konnte.
„Das hier ist das Grab, aus dem der Legende nach die Schlange kam, die unser Volk vor dem Verhungern gerettet hat. Siehst du, hier.“ Lenyal deutete auf die Gravuren auf einem der Tragsteine. Fee hockte sich davor. Langsam fuhr sie mit den Fingern die Spiralen und Schlangenlinien nach. Im Gras lagen Opfergaben der Schlangenleute: kleine Kekse, Federn, glattpolierte Steine und ein Schälchen Honig.
„Aber du glaubst das nicht?“
„Nein, ich denke, dass sich da zwei Orte miteinander vermischt haben“, Lenyal vermied es, sie anzusehen, „der an dem die Geschichte sich
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