Fee und der Schlangenkrieger
außer acht, die damals diese Gegenstände hergestellt haben.“
Tom nickte.
„Wir erschaffen kein lebendiges Bild vom Leben der Menschen damals. Wir schaffen nur weitere Systeme, in die wir irgendetwas einordnen können.“
„So funktioniert Archäologie eben“, sagte Tom.
„Ja? Funktioniert das wirklich? Glauben Sie, dass auch nur ein einziges der Chronologiesysteme, mit denen wir arbeiten, auch nur ansatzweise irgendetwas mit den tatsächlichen Verhältnissen damals zu tun hat?“
„Das sind Grundlagen, Frau Maiwald, die Sie beherrschen müssen. Sie stellen Gerüste dar, in die Sie dann ihren jeweiligen Befund einhängen können.“
Das musste sie doch eigentlich wissen, sie war schließlich im Hauptstudium! Thomas beobachtete, wie ihr Gesicht lebhaft wurde.
„Oh, das ist mir schon klar, Herr Maler“, sagte sie und ihr Tonfall klang ein wenig spöttisch, „ich bin auch in der Lage, mich in Chronologien und Typologien einzuarbeiten und mit ihnen umzugehen.“
„Ich bin froh, das zu hören.“
„Mein Problem ist eher, dass ich mich frage, ob diese Gerüste, die wir erschaffen, tatsächlich irgendetwas mit der damaligen Realität zu tun haben. Glauben Sie wirklich, irgendein bronzezeitlicher Töpfer hat sich gedacht, ,hm, wir verwenden jetzt viel mehr Bronze als Kupfer, ein neues Zeitalter hat begonnen! Am besten, ich gebe allen meinen Gefäßen von jetzt an eine neue Form?' Oder, im Fall der Cucuteni-Kultur, eine neue Verzierung?“
So was haben wir nie gedacht, dachte Thomas und fragte sich, was das für ein Gedanke war. Er war abgeschweift. Er hatte sich geärgert über die flapsige Art und Weise, wie sie argumentierte, aber eigentlich musste er zugeben, dass sie den Nagel auf den Kopf traf.
„Ach, wissen Sie, Fee, wir können nur mit dem arbeiten, was die Funde hergeben, gerade innerhalb der Vorgeschichte…“, sagte er nachdenklich. „Ohne Schriftquellen beschränkt sich das eben auf Beschreibung und den Versuch einer logischen daraus folgenden Erklärung.“
„Geht’s Ihnen gut?“, fragte Frau Maiwald und Tom bemerkte, dass sie ihn aufmerksam ansah, „Sie sind plötzlich ganz blass geworden.“
„Tatsächlich?“ Thomas schob den seltsamen Moment beiseite. „Nein, ich bin zwar gerührt, dass Sie sich Sorgen um mich machen, Frau Maiwald, aber mir geht es gut. Wenn Sie noch mal Fragen zu Ihrer Hausarbeit haben, kommen Sie wieder.“
Frau Maiwald nickte, stand auf und ging.
Am Freitag nach dem Kolloquium überredete Schlotte Ela, mit ins Zebulon zu kommen. „Ich muss noch packen“, wandt diese sich.
„Muss ich auch“, wiegelte Schlotte ab, „das kannst du später noch machen. Komm schon, Fee wird auch da sein.“
Ela blickte zögernd den Flur hinunter. Tom verschwand in seinem Büro und zog die Tür hinter sich zu. Offenbar hatte er noch Arbeit vor sich und ging nicht mit ins Zebulon.
„Nein“, sagte sie schließlich, „hab einen schönen Abend mit Fee. Aber ich muss nach Hause, ich hoffe, ich krieg den Zug überhaupt noch… ich seh’ euch dann morgen. Wann fahren wir los?“
Schlotte verdrehte die Augen.
„Um zehn, vorm Hauptgebäude.“
„Alles klar.“
„Ela! Wir fahren um acht ab! Für jemanden, der sich so auf Leistung stresst, bist du echt enorm verpeilt. Wie bist du bloß zur Klausur rechtzeitig im richtigen Hörsaal aufgetaucht?“
Fee wartete an einem der hinteren Tische, als Schlotte ins Zebulon kam. „Wie war das Kolloquium?“, fragte sie. „Gut“, sagte Schlotte und bestellte sich ein Bier. Fee trank Rotwein. „Du solltest auch mal kommen.“
„Göttin bewahr' mich“, sagte Fee und Schlotte wunderte sich, denn anders als sonst lachte Fee dabei nicht. „Nachher denkt noch jemand, ich wär’ wissenschaftlich interessiert“, sagte sie in zynischem Tonfall.
„Was?“, fragte Schlotte und Fee erzählte ihr von ihrem Gespräch mit Herrn Maler.
„Der geht ja total ab“, stellte Schlotte schließlich fest, „was für’n Spinner. Und davon lässt du dich aus der Ruhe bringen?“
„Naja“, sagte Fee bedrückt, „ich find das so bescheuert, ich hab das Gefühl, der hat das aus purer Schikane gesagt. Mal ehrlich, das war doch Quatsch, oder?“
„Natürlich. Nur weil der zum Lachen in den Keller geht, hindert das alle anderen noch immer nicht daran, es zu verkraften, wenn jemand ein lebendigeres Referat hält als der dröge Durchschnittstudent und trotzdem zu erkennen, dass das wissenschaftlichen Wert hat. Was für’n
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