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FEED - Viruszone

FEED - Viruszone

Titel: FEED - Viruszone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Grant
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war es dunkel. Ich setzte meine Brille ab, und fast sofort hörte das Brennen in meinen Augen auf, meine Pupillen gaben ihre vergeblichen Versuche auf, sich zu verengen, und öffneten sich entspannt, während ich in den Stall hinüberging. Das gleichmäßige Zwielicht war eine Wohltat. Ich nahm die Welt so wahr, wie die Infizierten sie sehen, und wie die Infizierten sah ich alles.
    Bei der Ranch hatte es sich eindeutig um ein hochmodernes Unternehmen gehandelt, das in Sachen Tierhaltung auf dem neuesten Stand gewesen war. Die Boxen waren geräumig und so gestaltet, dass sie für alle Beteiligten möglichst viel Annehmlichkeiten boten. Man konnte die staatlich vorgeschriebenen Schutzanzüge, die an einer Wand hingen, und die gelbroten Sondermülltonnen in den vier Ecken des Stalls beinahe übersehen.
    Es war allerdings schwerer, den Geruch nach Desinfektionsmitteln nicht zu bemerken, und sobald er mir in aller Deutlichkeit in die Nase stieg, erschien auch der Rest in einem anderen Licht. Die Flecken an den Wänden stammten nicht von Farbe oder verspritztem Futter. Das Stroh in den Boxen war mit einer zähen, klebrigen Flüssigkeit zusammengepappt. Hier drin waren sie noch nicht mit dem Aufräumen fertig. Das entsprach durchaus der Standardprozedur. Erst entfernt man alle zurückgebliebenen infizierten Leichen und … Einzelteile. Dann versiegelt man das Gebäude bestmöglich und pumpt die Luft mit Bleichmitteln voll. Schließlich lässt man die zerstäubten Desinfektionsmittel und die Formalinbomben los. Formalin ist eine auf Formaldehyd basierende Verbindung, die so ziemlich alles tötet, einschließlich noch beweglicher Infizierter, und die Standarddekontaminationsprozedur verlangt fünf Schübe von dem Zeug, wobei jeweils eine weitere Ladung losgelassen wird, sobald die vorangegangene durch das umliegende organische Reaktionsmaterial aufgebraucht worden ist. Erst wenn alles, was lebt, mehr oder weniger gegrillt ist, und wenn alle Flüssigkeiten so weit abgetrocknet sind, dass sie nicht mehr spritzen können, gilt es als sicher, potenziell infiziertes Material zu entfernen und zu verbrennen, wie zum Beispiel das Stroh in den Ställen.
    Meine Schulterkamera lief bereits. Ich aktivierte drei weitere Kameras, von denen sich eine an meiner Tasche, eine an meiner Hüfte und eine dritte verborgen in meiner Haarspange befand. Dann machte ich einen ersten, langsamen Schwenk und schaute mich im Stall um.
    Unterm Heuboden lag ein Haufen toter Katzen, deren vielfarbige Leiber von den grausamen inneren Blutungen verkrümmt waren, die sie getötet hatten. Sie hatten den Ausbruch und das anschließende Chaos überlebt, aber dem Formalin hatten sie nicht entkommen können. Ich verbrachte mehrere Sekunden damit, dazustehen und sie zu betrachten. Sie sahen so klein und harmlos aus … und das waren sie auch. Katzen liegen unterhalb der Mason-Grenze. Sie wiegen unter fünfundzwanzig Kilo. Kellis-Amberlee interessiert sich nicht für sie, weshalb sie nicht wiederauferstehen. Für Katzen ist tot immer noch tot.
    Ich schaffte es beinahe bis zur Wand, bevor ich mich übergab.
    Es war leichter, nachdem die erste Welle des Ekels aus mir raus war. Meine erste Untersuchung förderte nichts zutage. Es gab keine Anzeichen dafür, dass sich etwas Ungewöhnliches ereignet hatte. Es handelte sich schlicht und einfach um den Schauplatz eines Ausbruchs, tragisch und grausig, aber in keiner Weise besonders . Dort war die Stelle, an der eines der infizierten Pferde sich einen Weg nach drinnen gebahnt und dabei die Schiebetür am Stall aus der Führung getreten hatte. Wahrscheinlich hatte es die Muttertiere in den ersten drei Boxen dicht aufeinander erwischt, und die hier arbeitenden Menschen hatten wohl kaum Waffen zur Hand gehabt. Niemand hatte geahnt, dass etwas nicht stimmte, bis es zu spät gewesen war. Mit etwas Glück waren sie schnell gestorben, entweder verblutet oder in Fetzen gerissen, bevor das Virus Gelegenheit gehabt hatte, sich festzusetzen, seinen Wirt umzuprogrammieren und den ewigen Zyklus aufs Neue zu starten. Das war allerdings leider unwahrscheinlich. Ein frischer Mob will infizieren und nicht verschlingen.
    Vermutlich hatten die infizierten Pferde hier gewütet und alles in Sichtweite gebissen, um sogleich weiterzustürmen und noch mehr Opfer anzufallen. Eine albtraumhafte Vorstellung: Auf diese Art haben wir zu Beginn des Jahrhunderts beinahe die ganze Welt verloren. Und ziemlich wahrscheinlich war es auch hier so abgelaufen.

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