FEED - Viruszone
Beweis dafür, dass so etwas unmöglich wäre … trotzdem kam mir diese Antwort zu bequem vor. Der erste Fall einer spontanen Virenüberflutung bei einem Pferd ereignet sich ausgerechnet auf Senator Rymans Ranch, am Tag seiner Bestätigung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner? Solche Zufälle gibt es außerhalb von Dickens-Tragödien nicht. Ganz sicher passieren sie nicht einfach mal so in der wirklichen Welt.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sprach Rick meine Gedanken aus. »Das ist zu simpel. Wir haben ein Pferd, ein gesundes Pferd, und dann ist das Pferd ein Zombie, ein Haufen Leute sterben – so ein Unglück aber auch. Etwas in der Art würde ich mir ausdenken, wenn ich eine Titelgeschichte mit vielen Emotionen verfassen sollte, die sich niemals wirklich so ereignen würde.«
»Warum bohrt dann niemand nach?« Shaun blieb auf dem Hof zwischen den vier Ställen stehen und schaute erst zu Rick und dann zu mir. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber Rick, du bist neu bei diesem Tanz, und George, du bist sozusagen von Berufs wegen paranoid. Warum stochert niemand sonst in der Scheiße?«
»Weil keiner sich einen Ausbruch genauer ansieht«, antwortete ich. »Erinnerst du dich daran, wie sauer du warst, als wir in der sechsten Klasse all das Zeug übers Erwachen lesen mussten? Ich dachte, dass wir wegen dir beide von der Schule fliegen würden. Du meintest, dass das Ganze überhaupt nur deshalb so schlimm werden konnte, weil die Leute sich offenbar an die erstbeste einfache Antwort geklammert haben, anstatt etwas derart Kompliziertes zu tun wie ernsthaft nachzudenken .«
»Und du hast damals gesagt, das läge in der menschlichen Natur und ich sollte froh sein, dass wir heute schlauer wären«, meinte Shaun. »Und dann hast du mich gehauen.«
»Und das ist nach wie vor die Antwort: die menschliche Natur.«
»Gib den Menschen etwas, woran sie glauben können, zum Beispiel eine persönliche Tragödie, bei der sich ein Teenagermädchen heldenhaft opfert, um seine Familie zu retten, dann glauben sie es nicht nur, sie wollen es sogar glauben.« Rick schüttelte den Kopf. »Das sind gewissermaßen gute Nachrichten. Die Menschen glauben gerne an gute Nachrichten.«
Ich schaute Shaun an. »Wo fangen wir an?«
Im Schneideraum und im Büro habe ich das Kommando. Im Feld sehen die Dinge anders aus. Dort gibt Shaun die Befehle, es sei denn, ich verlange, dass wir sofort evakuieren. Wir sind beide schlau genug, zu wissen, wo unsere Stärken liegen. Seine haben damit zu tun, Tote mit Stöcken anzustupsen und hinterher noch darüber bloggen zu können.
»Sind alle bewaffnet?«, fragte er – mehr an Rick gewandt als an mich. Er weiß genau, dass ich eher zum Spaß einem Zombie die Hand in den Mund stecken würde, als unbewaffnet ins Feld zu gehen.
»Alles klar«, sagte ich und zog meine 40mm hervor.
»Ja«, sagte Rick. Seine Pistole war größer als meine, aber aus seinem lockeren Umgang mit der Waffe schloss ich, dass es sich einfach um eine persönliche Vorliebe und nicht um Machogehabe handelte. Er steckte die Pistole in sein Jackenhalfter zurück und fügte hinzu: »Ich würde ja anbieten, eine Schießprüfung abzulegen, aber das hier scheint mir nicht der geeignete Ort zu sein.«
»Später«, sagte Shaun. Rick wirkte belustigt, und ich unterdrückte ein schnaubendes Lachen. Wahrscheinlich dachte der arme Kerl, dass mein Bruder scherzte. »Gut, dann teilen wir uns auf. George, du gehst in den Stall, in dem die Fohlen kamen. Rick, du gehst dorthin, wo die erwachsenen Pferde untergebracht waren. Ich übernehme das Krankenquartier, und dann treffen wir uns hier wieder und schauen uns zusammen den Jährlingsstall an. Ständiger Funkkontakt. Wenn ihr etwas seht, schreit, so laut ihr könnt.«
»Damit wir alle zu Hilfe kommen?«, fragte Rick.
»Damit die andern Zeit haben, sich davonzumachen«, sagte ich. »Kameras an, Leute, und macht einen lebendigen Eindruck. Das hier ist keine Übung. Das sind die Nachrichten .«
Sich aufzuteilen war das Sinnvollste. Alle vier Ställe hatten mit dem Ausbruch zu tun gehabt, aber angefangen hatte es an einem bestimmten Ort. Wir würden die anderen Bereiche jeder für sich untersuchen, ein paar atmosphärische Hintergrundbilder aufnehmen und uns dann dort wieder versammeln, wo es möglicherweise wirklich etwas zu entdecken gab. Diese Überlegungen hielten mein Herz jedoch nicht davon ab, wild zu pochen, als ich die Tür zur Futterkammer öffnete und eintrat. Drinnen
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