FEED - Viruszone
Feinmaschensensoren und sorgfältig verborgenen Überwachungsmonitoren. Das dient ebenso sehr dem Schutz der Ärzte wie der Bequemlichkeit der Patienten. Schließlich ist jeder Grund, zu jemandem ins Zimmer zu gehen, der eine plötzliche Virenvermehrung erleiden könnte, ein weiterer Grund, den Arztberuf aufzugeben und sich etwas weniger Gefährliches zu suchen. Zum Beispiel Journalismus.
Nicht, dass mir mein Beruf derzeit wie eine besonders sichere Wahl vorgekommen wäre. Ich schloss die Augen. Hinter meinen Lidern erwartete mich Buffy, die aus virusverdunkelten Augen zu mir aufblickte, während das Virus überhandnahm und ihr innerstes Selbst zersetzte. Langsam kriegte ich das Gefühl, dass sie von nun an immer da sein würde. Sie würde für den Rest meines Lebens auf mich warten.
Kellis-Amberlee ist eine Tatsache des Lebens. Man lebt, man stirbt, und dann steht man wieder auf, schlurft herum und versucht, seine ehemaligen Freunde und all die Menschen, die man geliebt hat, aufzufressen. So ist es für uns alle. Angesichts dessen, was meine Eltern machen und was ihrem Sohn widerfahren ist, könnte man meinen, dass dieser Umstand einen starken Eindruck bei unserer Familie hinterlassen hat, aber all das ist geschehen, bevor Shaun und ich alt genug waren, um es zu begreifen. Für uns ist das Virus ein Hintergrundrauschen. Hätte es KA nicht gegeben, dann hätten Shaun und ich uns eben eine andere Freizeitbeschäftigung gesucht – irgendetwas anderes, als mit Stöcken nach Zombies zu stochern. Bis zu der Sache mit Chuck und Buffy hatte das Virus mir nie einen Menschen genommen. Es hatte andere Leute getroffen, die mir wichtig waren. Es hatte Bekannte getötet, wie die Sicherheitsleute, die wir in Oklahoma verloren hatten, oder Rebecca Ryman, die ich von Bildern kannte, obwohl ich ihr nie wirklich begegnet war. Aber mich selbst, mein Leben, hatte es bislang verschont. Nicht bis zu der Sache bei Memphis.
Ich öffnete die Augen. Ich konnte noch so viel grübeln, es würde Buffy und Chuck nicht zurückbringen, und es änderte nichts an der Situation: Die Seuchenschutzbehörde von Memphis hatte uns aus irgendwelchen Gründen betäubt und in eine Arresteinrichtung verbracht. Ich hatte keine Kleider, keine Waffen und keinerlei Aufzeichnungsgeräte. Meine Ohren lagen bloß – man hatte mir auch die Kurzstreckensender abgenommen. Selbst meine Sonnenbrille war weg, und stattdessen hatte ich nun einen UV-Blocker, der zwar zweifellos effektiver war, mit dem ich mich aber nackt fühlte.
Meine Mutter hat mir mal gesagt, dass eine Frau niemals nackt ist, solange sie noch ihre miese Stimmung und ihren unbeirrbaren bösen Blick hat. Diesen Gedanken behielt ich im Kopf, ging zur Tür und versuchte, den Knauf zu drehen.
Es war nicht abgeschlossen.
Das war nicht unbedingt ein gutes Zeichen.
Der Flur war ebenso steril wie das Zimmer, in dem ich erwacht war. Weiße Wände, weißer Boden und grellweiße Deckenbeleuchtung. Alle drei bis vier Meter gab es zu beiden Seiten weitere Pseudospiegel. Ich befand mich auf der Isolierstation. Das war sogar noch beunruhigender als die unverschlossene Tür. Ich rückte mir den UV-Blocker zurecht, eine Geste, die mich zutiefst beruhigte, obwohl sie streng genommen keinen besonderen Zweck erfüllte, und machte mich auf den Weg über den Flur.
Rick befand sich im dritten Zimmer links. Er lag in einem weißen Baumwollschlafanzug, der meinem aufs Haar glich, auf seinem Bett. Die Seuchenschutzbehörde interessiert sich nicht groß für Geschlechterstereotype. Ich klopfte ans »Fenster«, um ihn vorzuwarnen, und öffnete dann die Tür und trat ein.
»Gibt es hier Zimmerservice? Im Moment könnte ich nämlich sterben für eine Dose Cola. Wiederauferstehung bitte nur auf Wunsch.«
»Georgia!« Rick setzte sich auf, und Erleichterung und Entzücken mischten sich in seinem Gesicht. »Gott sei Dank! Als ich hier alleine aufgewacht bin, hatte ich befürchtet … «
»Was, dass du als Einziger übrig geblieben wärst? Tut mir leid, Junge, aber so leicht kriegst du keine Beförderung.« Ich stützte mich in den Türrahmen und musterte ihn. Er hatte keine sichtbaren Verletzungen. Das war gut. Wenn wir hier schnell rausmussten, würde er vielleicht mithalten können. »Genau genommen bin ich unsterblich, solange ich mich ärgere.«
»Wow.«
»Wow?«
»Dann wirst du ja nie sterben.« Er hielt inne und gestikulierte mit der rechten Hand vor seinen Augen. »Georgia, du hast gar keine … «
»Ist schon in
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