FEED - Viruszone
Vor der Tür blieb ich stehen und drückte den Knopf der Gegensprechanlage. »Hallo?«
Sofort antwortete mir Shauns Stimme, erfüllt von einer wilden Freude, die wahrscheinlich nur ich als Fassade erkannte, um Kummer und Angst zu verbergen. »George! Du hast beschlossen, in die Welt der Lebenden zurückzukehren!«
In meinem Brustkorb löste sich ein Knoten, und ich konnte wieder atmen. »Wie schön, dass du nicht plötzlich auf die Idee gekommen bist, ohne uns weiterzumachen«, sagte ich. »Kannst du mir nächstes Mal eine verdammte Nachricht oder so was hinterlegen?«
»Ich fürchte, das war meine Schuld, Ms Mason«, sagte eine tiefere Stimme mit Südstaatenakzent. »Wir versuchen, nichts in den Zimmern zu hinterlassen, was als Waffe dienen könnte. Einschließlich Papier. Sie verstehen sicher, warum das nötig ist.«
Ich runzelte die Stirn. »Joe?«
»Ganz genau, und ich bin ganz schön froh zu sehen, dass es Ihnen beiden gut geht.«
Beiden? Rick hatte kein einziges Wort gesagt, seit ich die Gegensprechanlage eingeschaltet hatte. Ich suchte mit den Augen die Decke ab, bis ich eine kleine, etwas dunklere Stelle fand, sahnefarben zwischen den weißen Kacheln. Den Finger noch immer am Knopf der Gegensprechanlage, schaute ich direkt auf den Punkt und sagte: »Bei den Mädchen auf Ihrer Highschool waren Sie sicher enorm beliebt. Die lieben doch solche Spanner.«
»He, hack nicht auf ihm rum, George. So sehe ich dich mal in deinem herzallerliebsten Schlafanzug. Du siehst aus wie ein Schneemann. Wie ein Schneemann auf der Wäscheleine.«
»Dieser Schneemann wird dir gleich einen Arschtritt verpassen«, erwiderte ich. »Kann mir jemand sagen, was zum Teufel hier vorgeht, bevor ich ernsthaft sauer werde?«
»Die Tür geht nicht ohne Blutprobe auf, George«, sagte Shaun.
»Natürlich nicht.« Ich drehte mich um und klatschte die Hand auf die Sensorfläche. Als die Nadeln in meine Haut stachen, zuckte ich kaum mit der Wimper. Für jede Nadel, die ich spürte, gab es fünf, von denen ich nichts merkte. Die dickeren Nadeln an den Einheiten der Seuchenschutzbehörde dienen mehr der Beruhigung als irgendetwas sonst – die Leute glauben nicht, dass man sie getestet hat, wenn sie keinen Einstich spüren. Die meisten der Informationen, die die Behörde braucht, stammen aus Hypospritzen, die im Prinzip wie Akupunkturnadeln sind und in die Haut hinein- und wieder herausgleiten, ohne Spuren zu hinterlassen.
Ein rotes Licht über der Tür erwachte blinkend zum Leben und wurde praktisch sofort grün. Die Schlösser öffneten sich mit einem lauten Klicken. Ich nahm die Hand von der Sensorfläche.
»Ich nehme an, wenn Rick mir direkt zu folgen versucht, dann wird ein Alarm ausgelöst?«
»Sie haben’s erfasst. Gehen Sie in die Luftschleuse und warten Sie, bis die Tür sich geschlossen hat, dann kann er nachkommen.«
»Alles klar.« Rick erwiderte mein Nicken, und dann öffnete ich die Tür und trat hindurch.
Wenn der Flur schon klinisch einförmig gewesen war, konnte man die Luftschleuse nur als antiseptisch bezeichnen. Die Wände waren so weiß, dass mir trotz UV-Blocker die Augen von dem reflektierten, grellen Licht wehtaten. Blinzelnd trat ich in die Mitte des Raums.
Ein Knistern drang aus der Gegensprechanlage, und dann erklang Joes Stimme: »Bleiben Sie dort, Ms Mason.«
»Augen schließen, Luft anhalten?«
»Genau.« Sein Tonfall klang leicht belustigt. »Es ist mir immer ein Vergnügen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der weiß, wie der Laden läuft.«
»Mir ist gerade nicht besonders vergnügt zumute«, erwiderte ich. »Vielleicht wird es besser, wenn ich eine Hose anhabe.« Rumstehen und Nörgeln würde mich meinen Kleidern auch nicht näher bringen, oder meinem Bruder. Ich schloss die Augen, nahm den UV-Blocker ab, holte tief Luft und hielt den Atem an.
Der Geruch von Desinfektionsmitteln erfüllte den Raum, während ein kühler Dunst aus den Düsen in der Decke strömte und mich umfing. Ich zwang mich, weiter die Luft anzuhalten, und zählte von zwanzig runter. Als ich bei siebzehn ankam, sprangen die Ventilatoren an, und der Dunst wurde in die Abzüge am Boden gesogen. Man würde ihn in Rohre voll hocherhitzter Luft weiterleiten, um alle Spuren von Erregern, die das Chemikalienbad irgendwie überlebt hatten, zu verbrennen, und dann zur Vernichtung in einen Hochofen pumpen. Der Seuchenschutz macht so einige Dummheiten, aber nicht, wenn es um Sterilisierung geht.
»Sie können jetzt die Augen öffnen, Ms
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