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sofort ausgewertet wird. Daraus, dass die meisten Leute die Schilder überhaupt nicht beachteten, schloss ich, dass sie ihre Stimmen bereits online abgegeben hatten, bevor sie sich auf den Weg ins Kongresszentrum gemacht hatten. Die Wahlkabinen mit den Zetteln aus Papier sind vor allem eine Kuriosität, die es nur noch deshalb gibt, weil das Gesetz darauf besteht, dass jeder, der will, seine Stimme persönlich statt elektronisch abgeben kann. Im Endeffekt führt das nur dazu, dass man erst dann genaue Wahlergebnisse kriegt, wenn die Papierzettel ausgewertet sind, selbst, wenn fünfundneunzig Prozent der Wähler bereits elektronisch abgestimmt haben.
Die Zigarettenfirmen waren nicht die Einzigen, die auf die altbewährte Werbewirksamkeit spärlich bekleideter Frauenkörper setzten, um ihre Waren unters Volk zu bringen. Mädchen, von denen die meisten kaum mehr als einen Bikini und ein Lächeln anhatten, schlängelten sich durch die Menge und verteilten Anstecker und Fähnchen mit politischen Slogans an die Passanten. Mehr als die Hälfte dieser Kinkerlitzchen fand bald schon ihren Weg in die nächste Mülltonne oder auf den Boden. Mir fiel allerdings auf, dass die meisten der Anstecker, die die Leute behielten, entweder für Senator Ryman oder für Gouverneur Tate warben, der sich eindeutig zu Rymans schärfstem Konkurrenten innerhalb der Partei mauserte. Die Kongressabgeordnete Wagman war mit ihrer Nummer ziemlich weit gekommen, aber man war sich im Großen und Ganzen darüber einig, dass für sie das Ende der Fahnenstange in Sicht war. Man kann sich eine ganze Weile erfolgreich als Pornostar gebärden, aber ins Weiße Haus schafft man es damit nicht. Derzeit deutete alles darauf hin, dass die Republikaner entweder Ryman oder Tate nominieren würden.
Der heutige Tag würde voraussichtlich einem von beiden einen soliden Vorsprung verschaffen, wodurch der bevorstehende Parteitag nur noch eine Formalität sein würde. Ich hatte darauf gehofft, dass noch ein dritter Kandidat für wenigstens etwas Wirbel sorgen würde, aber während der Wahlkampftouren war niemand groß rausgekommen. Die Wähler der Republikaner und selbst die der Demokraten und der Splitterparteien schenkten ihre gesamte Aufmerksamkeit – und damit auch ihre politische Unterstützung – entweder Rymans entspannter Haltung der Marke »Solange wir auf der Welt sind, sollten wir sehen, dass wir uns vertragen« oder Tates Fegefeuer-und-Verdammnis-Rhetorik.
Ich tippte auf meine Uhr, um die Memofunktion einzuschalten, hob sie an den Mund und murmelte: »Erinnerung: Versuch, irgendwann nach dem Ende der Vorwahlen ein Interview mit jemandem aus Tates Lager zu kriegen, egal, wie das Ergebnis aussieht.« Technisch gesehen zählen Shaun, Buffy und ich für ihn als »rivalisierende Journalisten«, da wir uns vor allem der Begleitung von Rymans Kampagne widmen. Gleichzeitig sind wir jedoch alle auf die Prinzipien journalistischer Integrität eingeschworen, und das bedeutet, dass man sich – zumindest offiziell – darauf verlassen kann, dass wir fair und unvoreingenommen berichten, es sei denn, es handelt sich bei einem Beitrag um einen klar als solchen gekennzeichneten Kommentar. Wenn ich nah genug an Tate herankam, um in Erfahrung zu bringen, wie er tickte, dann änderte das vielleicht etwas an meiner zunehmenden Abneigung gegen seinen politischen Standpunkt. Oder auch nicht, womit ich dann einen Grund mehr haben würde, mich für Ryman einzusetzen. So oder so würde es einen guten Beitrag abgeben.
Mein Wasser war fast alle, und ich war nicht zum Tagungszentrum gekommen, um mir die Leute anzuschauen und bei den Lokalreportern Freigetränke zu schnorren, mochte das auch noch so viel angenehmer sein als das Leben im Konvoi. Ich tippte mir an den Ohrstecker. »Ruf Buffy an.«
Ein Moment verstrich, während das Gerät die Verbindung herstellte, und dann erklang Buffys fragende Stimme in meinem Ohr. »Welch rühmlichen Dienst darf die Unwürdige Ihrer Majestät an diesem gepriesenen Nachmittag erweisen?«
Ich grinste schief. »Hab ich dich beim Pokerspielen gestört?«
»Genau genommen haben wir gerade ferngesehen.«
»Das wird aber langsam ziemlich gemütlich mit dir und Chuckles, findest du nicht?«
Buffys Antwort klang steif. »Kümmere dich nicht um meine Angelegenheiten, dann halt ich mich auch aus deinen raus. Außerdem bin ich nicht im Dienst. Es gibt nichts zu schneiden, und all mein Material für diese Woche ist bereits auf den Server geladen und
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