Feenfuchs und Feuerkuss
fest, dass Sam sich zu ihnen gesellt hatte
und die Begrüßung zwischen ihr und Jonathan gesehen haben musste. Bei dem
Anblick seines Gesichtes tanzten die Begriffe ‚aufgewühlt‘ und ‚zornig‘ wild
durch ihren Kopf.
„Auch das noch!“, murmelte Luisa
und riss die Beifahrertür auf. So sehr es sie schmerzte, sie konnte sich jetzt
nicht um ihre Gefühle für Sam kümmern. In diesem Moment durften ihre Gedanken
nur um Ophelia kreisen.
Jonathan wendete den Wagen und
fuhr rasant vom Parkplatz. Sam und ihre Freundinnen verschwanden aus ihrem
Seitenspiegel.
Sie fuhren aus dem Gewerbegebiet,
in dem die Knopffabrik stand, heraus und bogen auf die Hauptstraße ab.
Luisa betrachte Jonathan still,
während er den großen Wagen souverän lenkte. Sein klassisches Profil wurde blitzartig
von den vorbeiziehenden Laternen beleuchtet.
So
ernst hab ich ihn noch nie erlebt.
Jonathan schaute kurz zu ihr
herüber, lächelte sie aufmunternd an und drückte mit der rechten Hand kurz ihr
Knie.
„Ich rufe schnell meine Mutter an
und sage ihr Bescheid.“ Luisa griff nach ihrem Handy, aber Jonathan beruhigte
sie: „Mein Vater hat schon mit ihr gesprochen.“
Als sie endlich die Landstraße
erreichten, beschleunigte Jonathan und fuhr deutlich schneller als erlaubt.
Luisa betete, dass es Ophelia nicht noch schlechter ging.
„Meinst du, der Tierarzt ist schon
da?“ Luisa rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her.
„Ich hoffe es jedenfalls“,
antwortete Jonathan. „Dr. Wagner wollte sich direkt nach meinem Anruf auf den
Weg machen.“
Als sie auf den dunklen Hof
fuhren, wartete Luisa nicht auf Jonathan und sprang direkt aus dem Wagen. Sie
rannte in den Stall und hielt erst vor Ophelias Box an. Doch die Box war leer.
Sie schaute sich panisch um.
„Luisa!“, hörte sie Jonathan
rufen. „Ophelia wird in der Halle geführt.“ Er kam auf sie zu und fasste sie an
den Schultern. „Du musst versuchen ruhig zu bleiben. Wenn Ophelia deine Panik spürt,
wird es noch schlimmer.“ Eindringlich sah er sie an. Luisa schaute in seine
klaren, blauen Augen und versuchte ruhiger zu atmen.
„So ist’s besser“, murmelte
Jonathan, schlang einen Arm um ihre Schultern und zog sie mit sich zu der hell
erleuchteten Reithalle.
Sie öffneten die schwere
Bandentür und gingen quer durch die Halle auf den Pferdepfleger zu, der die
Fuchstute führte. Luisa sah auf einen Blick, wie schlecht es um Ophelia stand.
Das Fell war dunkel vor Schweiß und ihr Pferd blickte immer wieder unruhig zu
ihrem Bauch.
„Danke Malte, ich kümmere mich
jetzt um die Stute. Kannst du bitte Dr. Wagner, wenn er kommt, direkt zu uns
schicken?“ Jonathan nahm dem Pfleger den Führstrick aus der Hand und strich
Ophelia beruhigend über den Hals.
Luisa stiegen die Tränen in die
Augen und sie merkte, wie sie wieder panisch wurde. Ophelia hatte letztes Jahr
schon einmal eine schlimme Kolik gehabt und war kurz davor gewesen, operiert
werden zu müssen.
Jonathan strich Luisa die Tränen
vorsichtig von den Wangen. „Jetzt warten wir erst mal die Diagnose ab, ja? Führ
sie kurz alleine, ich hol nur schnell eine Abschwitzdecke aus dem Stall.“ Er
drückte ihr den Strick in die Hand und lief zügig aus der Halle.
Luisa zog am Strick und
überredete Ophelia, sich wieder in Gang zu setzen. Hoffentlich kam Jonathan
schnell wieder, seine ruhige und selbstsichere Art half ihr mit dieser
schwierigen Situation umzugehen. Ophelia trottete Runde um Runde mit gesenktem
Kopf hinter ihr her.
Auf einmal vernahm Luisa Stimmen.
Endlich! Jonathan kam in Begleitung eines älteren Herrn in die Halle und winkte
ihr zu kommen: „Lass uns zurück zur Box gehen. Dr. Wagner möchte Ophelia in der
Stallgasse untersuchen.“
Jonathan warf die Abschwitzdecke auf
den Rücken der Stute, als Luisa sie an ihm vorbeiführte. Sie nickte Dr. Wagner,
der sich mit Jonathan beratschlagte, kurz zu. Vor lauter Angst war ihre Kehle
wie zugeschnürt, sie brachte kein Wort heraus.
Auf der Stallgasse angekommen, hörte
Dr. Wagner Ophelias Bauch ab. Die Darmgeräusche sollten ihm verraten, wie es um
die Darmtätigkeit bestellt war.
Luisa versuchte während der
Untersuchung irgendetwas an Dr. Wagners Gesichtsausdruck abzulesen. Doch der
stoische Tierarzt ließ sich nichts anmerken. Sie betete, dass die Kolik nicht
so schlimm war, dass sie Ophelia direkt in die Klinik transportieren müssten.
„Hmm.“ Dr. Wagner strich sich
über seinen grauen Schnurrbart. „Es sieht ganz nach einer Stresskolik
Weitere Kostenlose Bücher