Feenkind
sie ebenfalls ein fröhlicher leuchtender Funke geworden war. Alles würde gut werden, solange sie nur ihren funkelnden Gefährten folgte. Und dann endlich nahmen die Lichter sie in ihren Reigen auf. Sie war eine von ihnen und tanzte mit ihnen im Kreis. Dhalia lachte vor schierer Freude darüber, wieder einen Ort zu haben, an den sie gehörte. Und ihre Stimme verschmolz mit den Hunderten kleiner Glöckchen, die um sie herum erklangen.
Plötzlich brach ein gewaltiger dunkler Schatten von der Seite in ihre fröhliche Runde. Die junge Frau vernahm ein zorniges Schnauben und hörte ihre Gefährten panisch schreien. Etwas Massiges, Starkes streifte ihre Schulter und drückte sie aus dem Kreis. Durch die Berührung wurde das Mädchen schmerzhaft nach hinten geschleudert. Sie sah, wie ihre Gefährten ängstlich auseinander stoben und in der Finsternis verschwanden. Sie wollte ihnen folgen, doch der Schatten versperrte ihr bedrohlich den Weg. Langsam kam er auf sie zu. Panisch suchte Dhalia nach ihrem Schwert. Um sich herum ertastete sie jedoch nur kalten, stinkenden Schlamm. Als sie sich umsah, bemerkte sie auf einmal, dass sie bis zur Taille in einem Sumpfloch steckte und langsam immer tiefer sank. Angst stieg in ihr auf, als sie ihren unbekannten Angreifer immer näher kommen sah - wieder ganz allein und ohne die geringste Möglichkeit, sich zu wehren.
Am liebsten wäre sie weggelaufen und doch konnte sie nicht einmal ihre Augen von der massigen Gestalt nehmen, die sie in der Dunkelheit kaum erkennen konnte. Dann, plötzlich, wie auf Befehl, teilten sich die dichten Wolken, die den Mond verdeckten, und ein einzelner silbriger Lichtstrahl fiel auf die unbekannte Gestalt, die vor ihr stand.
Die Wirkung war überwältigend, beinahe magisch. Erst im nächsten Moment verstand Dhalia, dass es nur der Mond war, der hell hinter einer Wolke hervorgekommen war, so dass sein Licht durch die Baumkronen auch den Waldboden erreichte.
Trotz ihrer Angst fasziniert, sah sie einen spitzen, blank polierten Huf im Mondlicht aufblitzen, als die Kreatur langsam ein Bein vor das andere setzte.
Sie kämpfte darum, ihre Arme aus dem sie festhaltenden Schlamm frei zu bekommen. Es gelang ihr mit einem ‚Plopp', gerade als die Kreatur ihren Kopf neigte und zwei große weise Augen Dhalia direkt ins Gesicht blickten.
Instinktiv zuckte sie zurück. Doch sie sah Güte in diesen Augen leuchten und führte den Schlag, zu dem sie bereits ausgeholt hatte, im letzten Augenblick nicht aus. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, denn das Geschöpf, das die junge Frau zunächst für ein großes schwarzes Pferd gehalten hatte, neigte seinen Kopf noch ein wenig tiefer. Erfüllt von Horror und Faszination zugleich blickte sie auf das lange, spitze, blutrote Horn, das auf der Stirn des Wesens prangte und nun bedrohlich auf ihre Brust zielte. Eine einzige Kopfbewegung des Wesens und sie wäre verloren.
Doch es rührte sich nicht. Als Dhalia ebenfalls bewegungslos verharrte, schnaubte das schwarze Einhorn sie auffordernd an. Sie spürte, wie sie immer weiter im Schlamm versank und erkannte auf einmal die Absicht des Wesens vor ihr. Zögernd streckte sie ihre Arme aus und ergriff das kühle gewundene Horn, damit das Wesen sie aus dem Sumpf ziehen konnte.
Als Dhalia endlich aufrecht stand, blickte sie sich unsicher um. Das Einhorn verharrte in respektvoller Entfernung. Es schien ihr Zeit geben zu wollen, zu sich zu kommen. Schüchtern neigte das Mädchen den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob es angebracht war, aber sie wusste nicht, wie sie ihre Dankbarkeit anders ausdrücken konnte. Das Tier verbeugte sich ebenfalls und schnaubte belustigt. Wenn sich der Mondschein nicht in seinem Horn gespiegelt hätte, hätte man es für ein einfaches Pferd halten können.
Der Gedanke an das Pferd brachte ihr in Erinnerung, dass sie vorhin auch noch eins gehabt hatte. Hastig drehte Dhalia sich um, doch sie konnte keine Spur von Bruno entdecken. Sie musste ihn verloren haben, als sie den tanzenden Lichtern gefolgt war! Ihn und all ihre Sachen! Sie hatte nur noch das, was sie am Leibe trug. Und das machte nicht viel her, fiel ihr auf, als sie sich kurz betastete. Sie war nass, kalt und sie stank. Erschrocken fuhr sich die junge Frau an den Hals und entspannte sich wieder ein wenig, als ihre Finger das schmale Lederband ihres Silberblatts ertasteten. Erleichterte ließ sie es los. Zumindest hatte sie noch das Amulett.
Das Einhorn hatte sie die ganze Zeit stumm mit seinen großen,
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