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Feenkind

Feenkind

Titel: Feenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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die sie eigentlich unterwegs war. Noch einige Schritte, und er wäre womöglich ganz hinter den Bäumen verborgen gewesen, unsichtbar in der Finsternis, während sie in die falsche Richtung stolperte.
Angestrengt blickte Dhalia zu der Stelle, wo sie eben das Licht erblickt hatte. Es war kein Zweifel möglich - da war ein Licht. Erleichtert starrte sie dieses Zeichen menschlichen Lebens an. Marterim! Sie hatte den richtigen Weg also doch noch gefunden!
Sie schickte ein kurzes Dankgebet zu den Guten Geistern und schleppte sich müde auf das flackernde Licht zwischen den Bäumen zu. Jeder Gedanke an eine Rast war aus ihrem Kopf verschwunden.

Der Wald musste sich jetzt jeden Augenblick lichten und sie würde sich an einem gastfreundlichen Kamin endlich ausruhen können. Doch sosehr sie sich auch beeilte, das kleine Licht, das ihr den Weg wies, kam nicht näher. Es blieb ebenso klein und flackernd, wie zu dem Zeitpunkt, als sie es zum ersten Mal entdeckt hatte. Immer wieder hatte Dhalia das Gefühl, dass hinter dem nächsten Busch, hinter dem nächsten Baum die menschliche Behausung endlich auf sie wartete, doch sie wurde immer wieder enttäuscht. Ein Teil ihres Verstandes drängte sie, die Verfolgung jetzt abzubrechen und sich auszuruhen. Es konnte nicht mehr weit sein. Am Morgen könnte sie ausgeruht und sicher in Marterim ankommen. Und doch wollte sie so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben. Zu verlockend war ein weiches Bett im Vergleich zu dem feuchten und kalten Waldboden.
Als ihre Müdigkeit wieder fast die Oberhand über sie gewann und sie langsam zornig auf den unerreichbaren Lichtschein wurde, sah sie plötzlich weitere Lichter hinter den Bäumen auftauchen - die Lichter einer ganzen Siedlung! Und so schleppte sie sich weiter vorwärts auf die Lichter zu. Bald würde alles überstanden sein, bald war sie am Ziel und dann konnte sie sich endlich ausruhen. Nur dieser eine Gedanke hielt sie noch aufrecht.
Ihre Augen fielen zu, während sie mechanisch einen Schritt vor den anderen setzte. Und als sie sie öffnete, waren die Lichter für einen Augenblick hinter den Ästen eines Baumes verborgen. Panisch suchten ihre Augen die Dunkelheit nach den rettenden Funken ab. In der Angst, sie noch einmal aus den Augen zu verlieren, traute Dhalia sich nicht, ihren Blick nochmals von ihnen abzuwenden. Sie blickte starr auf die kleinen Lichter und achtete kaum noch darauf, wohin sie trat.
Irgendwann wusste sie schon gar nicht mehr, warum sie den Lichtern eigentlich folgte, sie hatte nur den einen Gedanken im Kopf, dass sie sie um jeden Preis erreichen musste. Wenn das so wichtig war, würde sie gewiss einen guten Grund haben, ihnen zu folgen. Nichts anderes war mehr von Belang, nur ihr übermächtiger Wunsch, endlich diese flackernden, fast lebendigen Funken zu erreichen, die ihr auf eigentümliche Weise Trost spendeten und ihr im finsteren Wald Gesellschaft leisteten. Es spielte schon lange keine Rolle mehr, wohin sie ging oder ob sie ihre kleinen Führer jemals einholte. Es genügte ihr zu wissen, dass sie da waren und dass sie sie in ihrer Mitte willkommen heißen würden, wenn sie sie endlich erreichte.
Plötzlich fuhr ein dumpfer Schmerz Dhalias Fuß bis zu ihrem Knie hinauf. Über diese Empfindung leicht verwundert, fast so, als würde es sie gar nicht selbst betreffen, registrierte ein Teil ihres Bewusstseins, dass sie sich wohl den Knöchel verstaucht hatte. Doch es war ohne Bedeutung. Nichts würde sie von ihrem Bestreben abhalten, den Lichtern zu folgen und sich in ihrer Mitte endlich auszuruhen. Die Lichter tanzten vor ihren Augen, mal ganz nah, dann wieder weit weg - als wollten sie sie verspotten. Nicht alle Lichter waren nett, einige waren auch neckisch und frech. Doch Dhalia nahm es ihnen nicht übel, sie verstand, dass sie es nicht böse meinten, dass sie doch nur mit ihr spielen wollten. Sie genoss es, sie mit ihren Glöckchenstimmen lachen zu hören.
Ein übermütiges Licht kam ganz nah an sie heran und setzte sich auf ihre Nase. Irritiert scheuchte sie es mit der Hand davon. Und dann waren auch die anderen Lichter plötzlich bei ihr, sie schwirrten und tanzten vor ihren Augen und um sie herum und lachten spöttisch mit ihren klingenden Stimmen, bis ihr ganz schwindelig wurde. Trotz ihrer Müdigkeit tanzte Dhalia mit ihnen, sie konnte nicht aufhören, sie wollte ihre neuen Freunde nicht verlieren und wieder die grausame Einsamkeit des Waldes spüren. Sie wollte so gerne mit ihnen zusammen lachen und tanzen, bis

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