Feenland
Traum-Bibliothek von Glass zu werfen, brennen sie
das Web durch, Stück für Stück.«
»Und niemand kann sie mit einem Feuerlöscher aus dem
System spritzen?«
»Wenn wir wüßten, wie das geht, wäre das gar
kein so schlechter Gedanke. Aber wir arbeiten dran, verlaß dich
drauf. Vielleicht haben wir ja Glück und finden die richtige
Methode. Aber wenn nicht…«
Blitze zucken am Jupiter-Horizont auf.
»Sehr dramatisch, Max.«
»Ich bin echt gut, oder? Rühr dich, sobald du was Neues
erfährst, Sharkey.«
Die grüne Frau breitet die Arme aus. Max stößt
sich vom Datenfenster ab, trudelt nach oben und durchdringt die
Gestalt seiner Agentin. Einen Moment lang sieht Alex ihn zwischen
Bäumen in einem sonnenhellen Wald dahinschlendern, und dann
bläst ein Sturm die grüne Frau in einem Blätterwirbel
davon. Alex befiehlt seinem Dämon, die Verbindung abzubrechen,
nimmt die VR-Brille ab und kehrt in die Wirklichkeit zurück. Er
setzt sich auf und blinzelt in das helle Sonnenlicht eines Grashangs,
der sanft zu den roten und grauen Dächern von Gjirokastër
abfällt.
2 Billige Ausflüge in das Elend
anderer Leute
Das Holiday Inn von Tirana war einst Albaniens erstes Hochhaus
– das bereits 1979 errichtete Hotel Tirana. Trotz kostspieliger
Umbauten, einschließlich einer ultramodernen
Stromalith-Fassade, dem letzten Schrei an Nanotech-Ausstattung und
Räumen mit hochempfindlichem Mikro-Conditioning, besitzt das
Hotel immer noch das Betonskelett der grimmig funktionellen
sowjetischen Plattenbau-Architektur. Und obwohl das Haus
semi-intellent ist und seine eigene Energie durch Winddruck und
Temperaturunterschiede erzeugt, stehen die Aufzüge in diesen
unruhigen Zeiten meist still, und das Wasser fließt bestenfalls
sporadisch.
Todd Hart hat ein Zimmer mit Aussicht auf den Skanderbeg-Platz
erhalten – was keineswegs so toll ist, wie es klingt, denn es
liegt in direkter Sichtlinie zu den Bergen. Dort haben sich die
progriechischen Rebellen verschanzt, und momentan sieht es so aus,
als würden sie Albaniens jüngsten Bürgerkrieg für
sich entscheiden. Noch vor einer halben Stunde war Todd mit seinem
Kameramann Spike Weaver auf dem Dach, um die Bahnen der
Leuchtspur-Geschosse zu beobachten, die wie glühende
Kolibri-Schwärme auf die dunklen Dächer der Stadt
herunterstießen. Das Bombardement schien sich auf die Vororte
im Osten zu konzentrieren, ein ausgedehntes Labyrinth unbefestigter
Gassen und niedriger Lehmziegel-Häuser mit flachen Dächern.
Nichts Besonderes, meinte Spike, und in der Tat hatte es keiner der
anderen Journalisten der Mühe wert gefunden, die Bar zu
verlassen und mit nach oben zu kommen. Spike sitzt jetzt ebenfalls an
der Bar, wo er alte Geschichten über Kriege und
Fronteinsätze aufwärmt, die künstlich gebräunten
Huren abwimmelt, die billigen Sex und Drogen anbieten, und die
Opportunisten ignoriert, die den Reportern an den Fersen kleben,
ihnen Drinks spendieren und für ein paar Euro zweifelhafte Tips
verkaufen wollen.
Wenn Todd nur einen Funken Vernunft hätte, würde er sich
mit den anderen besaufen, seine Schwänke erzählen und in
der Gerüchteküche rühren. Schließlich hatte er
heute, weiß Gott, keinen Glücksgriff gehabt, weder mit dem
amerikanischen Konsul noch mit dem UN-Presseoffizier. Der Konsul war
ein junger, erschreckend naiver Yale-Absolvent mit einem Doktortitel
in paläochristlicher Archäologie des südlichen
Mittelmeerraums und der Presseoffizier der übliche
Schleimscheißer, der nicht einmal den Eindruck zu erwecken
versuchte, daß die Vereinten Nationen mehr taten, als den
Bürgerkrieg aus sicherer Entfernung zu beobachten. Er gab sich
alle Mühe, Todd an der Überfliegung des Kinder-Kreuzzugs zu
hindern, und als er das nicht schaffte, versuchte er ihn und seinen
Kameramann zumindest hinterher einzubuchten. Todd und Spike
verbrachten zwei lange Stunden in einem kahlen Raum auf dem
UN-Gelände, ohne Klimaanlage und ohne Zugang zu dem
Getränke-Automaten, der direkt vor der Tür summte, ehe
jemand mit einem Hauch von PR-Verstand erkannte, daß es sich
vielleicht nicht so gut machte, einem akkreditierten Mitglied der
US-Medien ans Bein zu pinkeln.
Todd hat nichts dagegen, hier Schiffbruch zu erleiden, aber zuerst
will er seinen Bericht abspeichern. Er ist jetzt seit drei Tagen
hier, mit einem Kontrakt, der ein paar denkbar ungünstige
Klauseln enthält, aber nur so kam er an die Akkreditierung und
konnte legal einreisen. Deshalb muß er Wohlverhalten
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