Feenland
mal unters Volk und versuche ein paar Fragen loszuwerden«,
meint er. »Vielleicht brauche ich später noch die eine oder
andere Aufnahme. Heb mir was von dem Kaviar auf!«
»Keine Sorge, es ist genug da.«
Die meisten Leute, die Todd auszuquetschen versucht, wollen oder
können ihn nicht verstehen. Irgendwie wirken sie alle erstarrt.
Die meisten scheinen nicht mal zu hören, was er sagt, aber
schließlich stößt er auf einen Mann, der ihm
geduldig zuhört und dann erklärt, daß man all dies
für Glass arrangiert habe.
»Wir sind hier, um ihn aufzuheitern. Es ist eine wunderbare
Party, nicht wahr?«
»Doch, das kann man sagen.«
Der Mann hat ein zerklüftetes, sonnenverbranntes Gesicht und
eine dichte graue Haarmähne. Mit seinem roten,
goldbetreßten Abendanzug erinnert er irgendwie an einen
Piratenkönig. Er fährt fort: »Es mag altmodisch
klingen, ich weiß, aber wir finden es wichtig, persönlich
hier zu sein. Das ist es, was bei uns zählt.«
»Ich habe geschäftlich mit Glass zu tun«, sagt
Todd. »Und mit Antoinette.«
»Er wird das Fest beobachten und genießen.« Der
Mann bemerkt Todds blutdurchtränkte Jacke und die fehlenden
Schuhe. »Woher kommen Sie eigentlich, junger Mann?«
»Aus Albanien.«
»Nun, dann schätzen Sie sich sicher glücklich, hier
zu sein.«
»Ich wurde mehr oder weniger gekidnappt und hergebracht. Ist
Glass tatsächlich anwesend?«
»Wir kamen eigens wegen Glass hierher«, sagt der Mann.
Einen Moment lang schweift sein Blick vage in die Ferne, dann
versucht er sich wieder zu konzentrieren. »Wovon sprachen wir
eben?«
Todd merkt, daß der Mann sich abwenden will. »Was
läuft eigentlich zwischen Antoinette und Glass?« fragt
er.
Damit hat er wieder die volle Aufmerksamkeit seines
Gesprächspartners. »Wenn er John F. Kennedy ist, dann ist
sie Marilyn Monroe«, erklärt er mit einem Lächeln.
»Nur daß wir jetzt das einundzwanzigste Jahrhundert
haben«, wirft jemand ein. Es ist ein dürrer Typ in Todds
Alter mit der ungesund bleichen Haut eines Höhlenbewohners.
»Natürlich«, pflichtet ihm der ältere Mann
bei. »Und eine herrliche Zeit, in der wir leben, finden Sie
nicht auch? Aber jetzt muß ich ein paar Worte mit einer lieben
Freundin wechseln, die es mir niemals verzeihen würde, wenn ich
sie unbeachtet ließe. Sie müssen mich entschuldigen,
Mister… äh…«
»Hart. Todd Hart.«
Aber der Mann hat sich bereits abgewandt. An seine Stelle ist ein
hochgewachsenes, blasses Gespenst getreten, ganz in Schwarz
gekleidet, mit wächsernen Zügen und fahlem Haar. Seine
Augen sind hinter einer Brille mit kleinen runden Spiegelgläsern
verborgen. Die bizarre Erscheinung grinst Todd an und
entblößt dabei farblose Zähne, die schief in ebenso
farblosen Gaumen sitzen. »Sie müssen entschuldigen,
daß wir uns in diese miesen Euro-Netze einklinken«, sagt
er und streckt die Hand aus. Er trägt an jedem Finger
Memory-Ringe, die Sorte, die über ein fembotgesponnenes
Sekundär-Nervensystem in der Epidermis Daten-Zugang bietet.
»Ich bin Frodo, Frodo McHale. Ich kann nicht lange sprechen. Die
Sicherheitsvorkehrungen hier sind zwar erstaunlich locker, aber
irgendwann werden sie mein Morpho-Programm knacken, und dann bin ich
nicht mehr der Unsichtbare Mann.«
Todd schüttelt Frodo McHale die Hand. »Glass hat recht
seltsame Freunde. Wer sind sie?«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Die sind
allmählich verbraucht. Waren von Anfang an nicht mehr als ein
paar ausgebrannte Prämillennium-Typen, die immer noch glauben,
daß Besitz zählt, die immer noch am Fetisch Geld kleben.
Sie wollen ewig leben, erstarrt in ihrer Idealgestalt. Sie sind gegen Veränderung, Abwechslung, Freiheit. Sie können die
Botschaft von Glass nicht begreifen.«
»Wie ist Glass?«
»Er ist ein Mysterium. Ein in Unwägbarkeiten
gehülltes Rätsel. Er ist er selbst. Das müssen Sie
akzeptieren. Gut, schlecht – das sind Menschenbegriffe. Eine
Dualität, geschaffen von Gehirnhälften, die auf der
animalischen Stufe zusammengefügt wurden. Unser Werk wird das
transzendieren.«
»Ich akzeptiere, daß ich mit Waffengewalt hergebracht
wurde. Ich dachte, das sei geschehen, weil ich Antoinette interviewen
sollte.«
»Diese verdammte Schlampe!« sagt Frodo McHale ruhig.
»Sie haben keine Ahnung, was hier los war! Sie verführte
Glass, verhinderte jeden Kontakt zu uns, drängte uns aus dem
Projekt. Aber wir lassen uns das nicht bieten. Bleiben Sie in der
Nähe, und Sie werden sehen, was ich meine.
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