Feenland
mitbrachte und das Feenvolk versammelte. Und
jetzt ist sie fort, und die Zwillinge haben ihren Platz
eingenommen.
Als nach einer Weile die Rituale der Gastfreundschaft vollzogen
sind, wenden sich die Algerier wieder ihrer Arbeit zu. Armand
schläft traumlos, bis ihn das Heulen der scheckigen Hunde
weckt.
Der älteste der Algerier sagt: »Sie kommen dich
holen.« Auf der Schulter des Mannes sitzt eine weiße
Ratte. Ihr Kopf zuckt flink umher, während sie prüfend nach
allen Seiten schnuppert; ihre Krallen haben sich in dem roten
Strickjumper des Alten verhakt. Armand würde diese Ratte am
liebsten packen, am Schwanz durch die Luft schleudern und ihr das
Genick brechen. Spione und Verräter, das sind sie, die
Ratten.
»Dämonen«, sagt ein anderer Algerier. Er
lächelt, aber gleichzeitig zittert er, und Tränen glitzern
auf seinen Wangen. Und mühsam, immer noch mit dem gleichen
starren Lächeln, fügt er hinzu: »Wir sind froh,
daß du uns besucht hast, Armand, aber jetzt mußt du
gehen.«
Armand dankt den Algeriern für ihre Gastfreundschaft und
klettert mit einem Gefühl der Verzweiflung aus dem Kommandoturm
ins Freie. Es ist fast Sonnenuntergang. Die Hunde heulen und jaulen
zwischen den falschen Korallen und dem unechten Seetang und versuchen
sich von ihren Leinen loszureißen. Sie bellen die Gestalten an,
die den Rand des Bassins säumen. Das Feenvolk ist gekommen, um
seinen Werwolf zu holen.
3 Verlorene Kinder
Der Mobile Hilfstrupp stößt spät am
Winternachmittag auf das Bidonville der Recycler. Mit heulenden
Sirenen und eingeschalteten Blaulichtern pflügen ein halbes
Dutzend Autos und Kleinbusse durch die tiefen, matschigen Fahrrinnen.
Dr. Science hat zwei Lichtblitz-Stroboskope auf dem Dach seines alten
methanbetriebenen 2CV montiert; ihr weißes Flackern
läßt die Kinder erstarren, die den Einsatzfahrzeugen
entgegenlaufen. Als er am Rand des Bidonville anhält, feuert Dr.
Science seine Leuchtpistole durch das zurückgeklappte Sonnendach
des 2CV, und grünes Licht explodiert in der
Abenddämmerung.
Morag Gray öffnet die Hecktür der Feldapotheke und zuckt
beim Anblick des grünen Scheins instinktiv zusammen.
Leuchtmunition am Nachthimmel hinter dem Stacheldraht-Zaun des
Flüchtlingslagers war fast immer der Auftakt zu Gewehrsalven
gewesen, mit denen Grenzwächter die loyalitätsinfizierten
Menschen zurücktrieben, die den Fluß zu überqueren
suchten.
Die Kinder drängen sich bereits um die Mitglieder des
Hilfstrupps. Morag drückt Lutscher in gierig schnappende
Seestern-Finger, bis die Taschen ihres knöchellangen wattierten
Mantels leer sind. Die zerlumpten Kinder atmen Dampfwolken in die
Luft und plappern aufgeregt. Dr. Science, der mit seinen roten
Haaren, der Schaffelljacke und den engen blauen Jeans wie ein Pirat
aussieht, wirft nach links und rechts Bonbons in die wachsende Menge,
während er mit langen Schritten auf den jungen Priester zugeht,
der im beleuchteten Eingang der Behelfskapelle steht und ihn
erwartet.
Jules und Natalie klappen die Hecktür der Feldapotheke hoch
und schalten die Dachscheinwerfer ein. Jules wirft Morag eine
schwarze Tasche zu, und gemeinsam bahnen sie sich einen Weg über
den schmalen Trampelpfad, der quer durch die Barackensiedlung
führt.
Schmutzwasser fließt unter Laufplanken, die aus
Plastikabfällen zusammengestückelt sind. Buden und
Hütten stehen dichtgedrängt, manche stabil aus Pappkartons
und flachgedrückten Chemikalienfässern errichtet, andere
nicht mehr als Plastikplanen oder Sackleinen über wackligen
Gerüsten. Biolum-Lampen und Kerzen beleuchten Szenen
schäbiger Häuslichkeit: ein Mann, der erschöpft an
einem Tisch sitzt und mit Genuß eine Zigarette raucht; eine
Frau, die ein nacktes, vor Kälte zitterndes Kleinkind in einer
Plastikschüssel wäscht; Kinder-Silhouetten, umrahmt vom
bläulichen Flickern eines Fernsehgeräts.
Und überall die Spuren der Fulleren-Viren, die Auswüchse
von hundert Kulten und Verrücktheiten, codifiziert in Fembots
und durchgespielt von infizierten Flüchtlingen, die zu arm sind,
um sich mit einer Universal-Impfung gegen die bösen Streiche von
Genhackern und die Fischzüge der Seelenfänger zu
schützen. Es gibt Heiligtümer für den Ungeborenen
Heiland und den UFO-Getreidekreis-Kult; ein Schild preist E-Messungen
an; Graffiti verkünden, Elvis lebt! oder Bob
weiß alles! (die an die Bretterwand einer Hütte
gesprühte Silhouette von Papa Zumi mit dem spitzen Hut und den
Hängebacken löst bei
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