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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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mit
dem alten Mann zu teilen, will sie lieber warten, bis Jules fertig
ist.
    Der alte Mann zuckt zusammen, und Jules sagt: »Ruhig, mein
Freund, gleich haben wir es geschafft.«
    »Ich hätte ins Krankenhaus gehen können«,
nörgelt der Alte. »In früheren Zeiten… Aber ich
verzeihe dir, mein Sohn. Ich werde alle belohnen, die mir ihre Hilfe
zukommen ließen, sobald ich meinen rechtmäßigen
Himmelsthron zurückerobert habe…«
    »Wir fühlen uns geehrt, Euch zu dienen«, sagt Jules
und blinzelt Morag zu. Er scheint nie müde zu werden.
    Der alte Mann sticht mit dem Finger auf das Foto einer Frau mit
einem anmutigen Profil und einer eleganten Nackenlinie. »Das war
meine Gemahlin. Wir lebten unter den Wolken, in einem Palast aus
Marmor und Perlen.«
    Es ist eine Aufnahme von Antoinette, dem Supermodel des
Elend-Trends, das vor zwei Jahren in einem Bidonville knapp zwei
Kilometer von hier entfernt entdeckt wurde und seinen Kontrakt mit
InScape aufgab, um sich an einer vagen politischen Kampagne zu
beteiligen. Die Meldung ging vor einem halben Jahr durch alle Medien,
aber seither hat man wenig von Antoinette gehört.
    »Sie ist eine Perle, okay. Die Königin der
Müllkippen.« Jules schneidet den schwarzen Faden ab, klopft
dem alten Mann auf die Schulter und rät ihm, er solle jetzt
schlafen und das nächstemal gleich in die Klinik gehen, wenn ihm
in der Stadt etwas zustößt.
    »Ich hasse Warteschlangen«, entgegnet der alte Mann.
»Ich habe ein Gesetz erlassen, das Anstehen verbietet, aber die
Feinde des Reiches machen alle meine guten Taten zunichte.
Außerdem wußte ich, daß ihr heute hierher kommen
würdet.«
    »Das Infektionsrisiko ist hoch, mein Freund, selbst wenn die
Wunde nur einen Tag offen bleibt«, mahnt Jules. Er wendet sich
an Morag: »Ein paar Kids schlugen ihn nieder und nahmen ihm die
paar Münzen ab, die er verdient hatte. Es ist nicht zu
fassen…«
    »Anfänger«, sagt der alte Mann verächtlich.
»Alles, was sie erwischten, waren die Einnahmen einer Stunde.
Der Rest war gut versteckt, aber sie filzten mich nicht mal. Das
nächstemal habe ich ein Messer dabei.«
    »Und was ist, wenn sie ein Messer dabei haben?«
    Jules’ Stimme klingt jetzt ernst. »So, meine Freundin
hier wird dir noch eine Spritze verpassen, dann sind wir fertig, und
du kannst in aller Ruhe die Expedition auf ihrem ruhmreichen Weg in
die Geschichtsbücher beobachten.«
    »Ist das echt? Ich dachte, das sei ein alter Film.«
    Draußen herrscht jetzt Eiseskälte. Morag ist froh um
die Thermalhaut, die sie unter ihren Jeans und dem wattierten,
silbrig glänzenden Mantel trägt. Der eklige Geschmack der
Müllkippen liegt auf ihrer Zunge. Sie spült ihn mit
lauwarmem Kaffee hinunter und verdrängt den Wunsch nach einer
Zigarette.
    Jules hat ein Flugblatt. Er schüttelt es, und ein dünn
quäkender Lautsprecher verkündet die primitive Drohung, die
mit tropfenden roten Lettern in Französisch und Arabisch auf die
glänzendschwarze Oberfläche gedruckt sind:
    Wir geben hiermit bekannt, daß der Unrat noch in dieser
Woche von den Müllhalden entfernt wird.
    »Die Dinger tauchten am Freitag überall in der Siedlung
auf«, sagt Jules. »Die Leute haben die meisten davon
eingestampft. Sie behaupten, das Zeug käme aus dem Interface,
aber wie soll man das beweisen?«
    »Ich nehme an, Dr. Science verständigt die
Polizei?«
    »Sicher, aber die Polizei hat das Zeug vermutlich
verteilt.«
    Morag erzählt Jules von dem Mädchen, das gezappt wurde,
und Jules zuckt die Achseln. »Das ist nichts Neues.«
    »Hätte ich mir denken können.«
    »Sie dringen nachts ein«, sagt Jules, »um ihre
neuesten Produkte an diesen armen Menschen zu testen. Und wir
dürfen anschließend die Dreckarbeit erledigen. Je
komplexer die Fembots, je tiefer sie in die weitverzweigten
Gedächtnisstrukturen eindringen, desto mehr Schaden richten sie
an. Die entwickeln mittlerweile die raffiniertesten Sachen.
Vergangenen Monat, kurz vor deiner Ankunft, hatte ich einen Typen,
der fest daran glaubte, daß Paris von Dinosauriern
bevölkert ist.«
    »Das Mädchen, mit dem ich zusammenwohne, hat einen
dieser süßen Mikrosaurier«, erzählt Morag.
    Jules nickt. »Man findet sie manchmal im Park. Die Kids
verlieren die Lust, sie zu versorgen, und setzen sie einfach aus.
Leider brauchen die Tierchen Spezialfutter und überleben deshalb
nicht lange in der freien Natur.« Er sieht sie besorgt an.
»Gehen wir zum Auto zurück! Du mußt am Erfrieren
sein.«
    »Es ist zwar nicht so

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