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Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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zu, lächelte und tat so, als wäre ich in einer wichtigen Mission unterwegs. Na ja.
    Auf dem Weg zum Treppenhaus kam ich am Aufzug vorbei. Ein Schild besagte, er werde gerade repariert. Er war nicht mehr der Alte, seit sich ein Riesenskorpion den Weg in die Kabine gebahnt und irgendjemand den Aufzug mit einem heftigen Windstoß unter das Dach geschleudert hatte, um das große Biest zu zerschmettern. Danach war die Kabine wieder bis ganz nach unten gestürzt, was dem Gebäude insgesamt nicht gutgetan und allen Mietern eine Mieterhöhnung beschert hatte.
    Das hatte ich jedenfalls gehört. Nun sehen Sie mich nicht so an. Vielleicht war ja jemand anders dran schuld. Na schön, vermutlich war es nicht der Zahnarzt im vierten und auch nicht der Psychiater im sechsten Stock. Wahrscheinlich ebenso wenig wie der Versicherungsmakler im siebten Stock oder der Steuerberater im neunten. Vielleicht nicht einmal die Anwälte ganz oben. Vielleicht. Aber es ist nicht immer meine Schuld, wenn irgendwo eine Katastrophe passiert.
    Außerdem kann sowieso niemand etwas beweisen.
    Ich öffnete die Tür des Treppenhauses und eilte zu meinem Büro im fünften Stock hinauf. Dann lief ich den Flur entlang, vorbei an der stillen Geschäftigkeit der Unternehmensberater, die den größten Teil der Etage für sich beanspruchten, bis ich meine Bürotür erreichte.
    Auf der Milchglasscheibe stand: HARRY DRESDEN – MAGIER. Ich streckte die Hand aus, um die Tür zu öffnen, doch als meine Finger noch ein paar Zentimeter vom Griff entfernt waren, sprang mit einem leisen, unschönen Knacken ein Funke über.
    Ich hielt inne. Auch wenn die Klimaanlage heulte und auf vollen Touren lief, so kalt und trocken war es nun wirklich nicht. Nennen Sie mich paranoid, aber nichts macht einen Mann vorsichtiger als ein Mordversuch am helllichten Tag. Ich konzentrierte mich wieder auf mein Armband und bereitete mich darauf vor, jederzeit einen Schutzschild aufzubauen, falls ich ihn brauchte.
    Dann stieß ich mit der anderen Hand die Tür auf.
    Normalerweise ist mein Büro recht ordentlich. Jedenfalls konnte ich mich nicht erinnern, es so unordentlich hinterlassen zu haben, wie ich es jetzt vorfand. Wenn ich bedachte, wie selten ich in der letzten Zeit hier gewesen war, kam es mir unfair vor, dass es so schlimm aussah. Der Tisch neben der Tür, wo ich Broschüren mit Titeln wie Magie für Anfänger und Ich bin Magier – fragen Sie mich auslege, stand schief an der Wand. Die Heftchen waren achtlos auf der Tischfläche und dem Boden verteilt. Irgendwo stank es vage nach längst verbranntem Kaffee. Anscheinend hatte ich vergessen, die Wärmeplatte auszuschalten. Huch. Auf meinem Schreibtisch wucherte ein ähnlicher Bewuchs von losen Papieren, und in meinen Aktenschränken standen mehrere Schubladen offen. Die Akten waren auf den Schränken gestapelt oder schräg ins Fach gestellt, so dass sie aus den Schubladen ragten. Mein Deckenventilator drehte sich träge und klickte bei jeder Umdrehung.
    Anscheinend hatte aber irgendjemand versucht, etwas aufzuräumen. Meine Post war ordentlich zu drei Stapeln aufgetürmt, und beide Metallpapierkörbe waren verdächtig leer. Billy und seine Freunde hatten sich eingeschaltet.
    Inmitten der Trümmer meines Büros stand eine Frau, gesegnet mit einer Schönheit, die Männer dazu bringt, Freunde zu ermorden und Kriege zu beginnen.
    Sie stand mit verschränkten Armen und zur Tür gewandt vor meinem Schreibtisch, ein Bein vorgestellt und die Hüften etwas schräg. Ihre Haare waren weiß. Nicht etwa hellblond oder platinblond, sondern weiß wie Schnee oder feinster Marmor, und hochgesteckt wie eine eingefangene Wolke, damit die Linien ihres schlanken Halses besser zur Geltung kamen. Ich weiß nicht, wie ihre Haut es schaffte, unter diesem Haar bleich zu wirken, aber so war es. Ihre Lippen hatten die Farbe von Maulbeeren, was in diesem glatten, schönen Gesicht beinahe erschreckend wirkte. Die verhangenen Augen waren dunkelgrün und schimmerten beinahe blau, als die Frau den Kopf schief legte und mich musterte. Sie war nicht alt noch jung. Einfach nur hinreißend.
    Ich hielt den Unterkiefer fest und drängte mein Gehirn, die Arbeit wieder aufzunehmen, während ich ihre Garderobe begutachtete. Sie trug ein makellos geschnittenes anthrazitfarbenes Kostüm. Der Rock ließ gerade genug Bein frei, dass man Mühe hatte, nicht ständig hinzusehen, und die Absätze der dunklen Pumps waren gerade hoch genug, um den Anblick noch interessanter zu

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