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Fehlfunktion

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Titel: Fehlfunktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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unvergleichlichen Augenblick lang kehrte der Dämon zurück, der von Freya Besitz ergriffen hatte. Das kleine Kind starrte den Priester mit einer Wildheit an, die seine Entschlossenheit durch schiere Bosheit ins Wanken brachte.
    »Ich werde dich nicht vergessen!« stieß der Dämon zwischen zusammengepreßten Lippen hervor. »Niemals bis in alle Ewigkeit nicht, Priester!«
    Unsichtbare Hände packten Horsts Kehle, winzige Finger wie die eines Kindes. Blut trat aus den Kratzwunden, die scharfe Fingernägel rings um seinen Adamsapfel hinterließen. Horst hielt das Kruzifix trotzig hoch erhoben, überzeugt, daß das Symbol des Heilands siegen würde. Freya stieß einen unartikulierten Schrei voll Raserei und Wut aus. Und dann war der dämonische Geist verschwunden, aufgelöst in einem Schwall giftiger, arktischer Luft, die Horst nach hinten warf. Sauber aufgestapelte Pakete mit Fertignahrung fielen durcheinander, das Bettlaken wurde durch das Zimmer geweht, und lose Gegenstände polterten von der Kommode und dem kleinen Tisch. Es gab einen Knall, als hätte jemand die massive Tür einer mittelalterlichen Burg vor dem heranrückenden Feind zugeschlagen.
    Freya – die echte Freya –, am ganzen Leib mit verkrusteten Wunden bedeckt, mit zerfetzter Kleidung und einer knochigen, ausgemergelten Statur, lag lang ausgestreckt auf Horsts Bett und gab leise wimmernde Laute von sich. Dann fing sie an zu weinen.
    Horst rappelte sich auf die Beine und stützte sich dabei schwer auf die Bettkante. Er atmete ächzend ein. Sein gesamter Körper schmerzte innen und außen, als hätte er einen Ozean durchschwommen.
    Jay und eine Gruppe aufgeregter Kinder stürzten in Horsts Zimmer und riefen wild durcheinander.
    »Schon gut«, sagte er und betastete die Kratzspuren an seiner Kehle. »Alles in Ordnung. Jetzt ist alles wieder in Ordnung.«
     
    Als Jay am nächsten Morgen erwachte, stellte sie überrascht fest, daß sie länger geschlafen hatte als gewöhnlich. Das geschah nur selten, denn die wenigen Minuten, die sie am frühen Morgen für sich ganz allein hatte, gehörten zu den kostbarsten des Tages. Die Morgendämmerung hatte scheinbar bereits eingesetzt. Ein bleicher Streifen grauen Lichts fiel durch die Fensterläden in das Hauptzimmer des Blockhauses. Die anderen Kinder schliefen noch tief und fest.
    Hastig schlüpfte Jay in ihre Shorts, zog die Stiefel an und ein Erwachsenenhemd, das sie geändert hatte, damit es halbwegs paßte, und schlüpfte leise aus der Tür ins Freie hinaus.
    Dreißig Sekunden später rannte sie schreiend ins Haus zurück und weckte Vater Horst.
    Hoch über dem einsamen Anwesen in der Savanne leuchteten die langen Abgasstreifen der Fusionsantriebe von dreizehn Raumschiffen, und sie bildeten ein kosmisches Mandala vor dem schwarzen vormorgendlichen Himmel.

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6. Kapitel
     
    Lewis Sinclair war im Jahre 2059 geboren worden. Er lebte in Messopia, einem der ersten großen Industrie/Wohn/Freizeitkomplexe, die an der spanischen Mittelmeerküste errichtet worden waren, einer freudlosen Wüste aus Beton, Glas und Plastik, die eine Fläche von fünf Quadratkilometern einnahm und neunzigtausend Menschen Obdach bot – und Schutz vor den immer heftigeren Armadastürmen, die angefangen hatten, die Erde heimzusuchen. Es war ein stark subventioniertes Projekt der Europäischen Union, ein Experiment in dem verzweifelten Bemühen des Parlaments, mit dem wie eine Krebsgeschwulst wuchernden Problem der sozialen Unterschicht fertig zu werden, das von den zu diesem Zeitpunkt fünfundachtzig Millionen Arbeitslosen des Kontinents aufgeworfen wurde. Messopia war ein bedingter Erfolg. Die mittelgroßen Industriebetriebe warfen nur minimalen Profit an die Investoren ab, doch der Komplex bot einen Vorgeschmack auf die riesigen Arkologien, in denen die gefährlich angewachsene Bevölkerung der Erde in den kommenden Jahrhunderten wohnen, leben und Schutz finden würde.
    Lewis’ Weg durch das Leben war bestenfalls als beschwerlich zu bezeichnen. Er war ein Kind armer Eltern, die allein deswegen Aufnahme in dem neuen Mikrokosmos gefunden hatten, weil das vom Parlament verabschiedete Gesetz eine sozial ausbalancierte Bevölkerung verlangte. Es gab keine wirkliche Nische für Lewis in diesem Unternehmen, das so strikt auf die Mittelklasseethik von Job/Familie/Heim ausgerichtet war. Lewis schwänzte die Schule und geriet auf die schiefe Bahn. Verbrechen, Drogen, Gewalt – ein Bilderbuch-Delinquent, einer von Tausenden, die durch die in

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