Fehlfunktion
Chikrows vor ihr zurück in den Dschungel geflüchtet zu sein. Selbst das Danderil, das Horst geschossen hatte, hatte sich in den Schatten eines der seltenen Bäume auf der Savanne verkrochen.
Horst blinzelte hinauf in den erbarmungslosen Himmel. Sie hatten doch wohl nicht vor, diese Welt in Asche zu legen? Sie besitzen jetzt eine Form, gestohlene Körper, und mit ihnen all die physischen Nöte, Triebe und Fehler, die mit Wesen aus Fleisch und Blut einhergehen.
Er spähte zum nördlichen Horizont und entdeckte einen schwach rosafarbenen Schleier über dem Dschungel, der sich vor den scharfen Rand zwischen Himmel und Land gelegt hatte. Wie die Abenddämmerung, die sich über dem Meer spiegelt. Je angestrengter er das Phänomen betrachtete, desto unwirklicher schien es zu werden.
Horst wollte nicht glauben, daß es sich um ein meteorologisches Rara avis handeln konnte. Dann schon eher ein Omen. Seine Stimmung, bereits gedrückt vom Anblick dessen, was aus der Soeberg-Farm geworden war, sank noch tiefer.
Zuviel geschieht auf einmal. Was auch immer sie Teuflisches vorhaben, es sieht so aus, als strebte es dem Höhepunkt entgegen.
Sie waren noch hundert Meter vom Blockhaus entfernt, als die Kinder sie entdeckten. Ein Gewimmel kleiner Leiber rannte ihnen über das Gras entgegen, Danny ganz vorneweg. Beide Hunde des Anwesens tollten um die Kinder herum und bellten laut.
»Freya ist gekommen, Vater!« rief Danny mit sich überschlagender Stimme. »Freya ist hier, Vater! Ist das nicht wunderbar?«
Und dann waren sie heran, klammerten und drängten sich an ihn, riefen laut und freudig durcheinander und lächelten voller Begeisterung, als er sich zu ihnen herunter beugte und sie tätschelte und umarmte. Einen Augenblick lang genoß er den körperlichen Kontakt zu seinen Schützlingen: der heimkehrende Held. Ein ritterlicher Beschützer und Sankt Nikolaus in einer Person. Sie erwarteten so unendlich viel von ihm.
»Was haben Sie diesmal in den Blockhäusern gefunden, Vater?«
»Sie sind heute aber schnell wieder zurück.«
»Bitte, Vater, sagen Sie Barnaby, daß er mir meinen Lesetutor wieder zurückgeben soll!«
»Haben Sie Schokolade gefunden?«
»Haben Sie passende Schuhe für mich?«
»Sie haben versprochen, nach Märchenfleks Ausschau zu halten.«
Zusammen mit seiner munter weiterplappernden Eskorte führte Horst das Pferd bis zum Blockhaus. Russ und Mills waren von seinem Rücken geglitten und redeten mit ihren Freunden.
»Wann ist Freya angekommen?« wandte sich Horst an Danny. Er erinnerte sich an das dunkelhaarige Mädchen aus Aberdale, Freya Chester, acht oder neun Jahre alt. Ihre Eltern hatten eine Unzahl der verschiedensten Obstbäume von der Erde mitgebracht. Kerry Chesters Obstgarten war stets einer der am besten gepflegten in der ganzen Siedlung gewesen.
»Vor vielleicht zehn Minuten«, antwortete der Knabe. »Ist das nicht wunderbar, Vater?«
»Ja, das ist es ganz gewiß.« Bemerkenswert. Höchst bemerkenswert sogar. Er war überrascht, daß Freya so lange überlebt hatte. Die meisten seiner Kinder waren innerhalb der ersten vierzehn Tage zu ihm gekommen, als er noch auf einer Lichtung in einem Kilometer Entfernung von Aberdale gelagert hatte. Fünf waren aus Schuster gekommen. Sie hatten erzählt, daß eine Frau den größten Teil der Reise bei ihnen gewesen wäre – Ingrid Veenkamp, wie Horst vermutete. Einige andere, die jüngsten von allen, hatte er selbst gefunden, als er ziellos durch den Dschungel gewandert war. Zusammen mit Jay ging er regelmäßig auf einen Streifzug durch das Gebiet rings um das Dorf in der Hoffnung, immer noch weitere Kinder zu finden. Und für jedes einzelne, das er gerettet hatte, quälten ihn die Bilder von zehn anderen, die sich rettungslos im Unterholz verlaufen hatten, gejagt von Sayce und einem langsamen Hungertod ausgeliefert.
Am Ende der ersten vierzehn Tage war offensichtlich geworden, daß die heiße, feuchte, schmutzige Lichtung vollkommen ungeeignet war, um als ständiges Lager zu dienen. Zu diesem Zeitpunkt war die Schar seiner Schützlinge bereits auf über zwanzig angewachsen. Es war Jay gewesen, die den Vorschlag gemacht hatte, es mit einem der Gehöfte in der Savanne zu versuchen, und vier Tage später hatten sie sich häuslich hier eingerichtet.
Nur fünf weitere Kinder waren in der ganzen Zeit seither noch hinzugekommen. Sie hatten schrecklich ausgesehen, wie sie so über den zugewachsenen Pfad von Aberdale in die Savanne hinaus gewandert waren.
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