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Fehlfunktion

Fehlfunktion

Titel: Fehlfunktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Außerstande, für sich selbst zu sorgen, hatten sie im Dschungel geschlafen und im Dorf Nahrung gestohlen, wenn sich eine Gelegenheit bot – was nicht annähernd oft genug der Fall gewesen war. Das letzte Kind war Eustice gewesen. Horst hatte sie zwei Wochen zuvor gefunden, als er auf der Jagd den Dschungel durchstreift hatte: ein bis auf die Knochen abgemagertes Skelett, dem die Kleidung nur noch in schmutzstarrenden Fetzen vom Leib hing. Sie konnte nicht mehr gehen, und wenn der Schäferhund sie nicht gewittert und angeschlagen hätte, wäre sie innerhalb eines Tages gestorben. Es war auch so schwer genug gewesen, sie durchzubringen.
    »Wo ist Freya?« fragte Horst den Knaben.
    »Drinnen, Vater. Sie ruht sich aus. Ich habe ihr gesagt, sie könnte Ihr Bett benutzen.«
    »Guter Junge. Das hast du gut gemacht.«
    Horst ließ Jay und ein paar der anderen Mädchen das Pferd zum Wassertrog führen und teilte eine Gruppe Jungen ein, das ausgenommene Danderil abzuladen, das er hinter dem Sattel festgezurrt hatte. Im Innern der Hütte war es um einige Grade kühler als draußen; die doppelte Schicht aus dicken Mayope-Brettern, aus denen Wände und Decke bestanden, bildete eine vorzügliche Isolation. Er grüßte ein paar der Jüngsten, die am großen Tisch saßen und einen Lesetutor benutzten, dann ging er in sein Zimmer.
    Die Vorhänge waren zugezogen und erzeugten ein freundliches gelbes Licht im Raum. Eine kleine Gestalt lag auf Horsts Bett. Sie trug eine lange navyblaue Hose und hatte die Beine hochgekrempelt. Sie sah nicht abgemagert aus, nicht einmal hungrig, und ihre Kleidung war so sauber, als wäre sie eben erst aus der Waschmaschine gekommen.
    »Hallo Freya«, sagte Horst leise. Dann blickte er genauer hin, und die Wärme der Savanne wich mit einemmal eisiger Kälte.
    Freya hob träge den Kopf und schüttelte das schulterlange Haar aus ihrem Gesicht. »Vater Horst, danke sehr, daß Sie mich aufgenommen haben! Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    Horsts Gesichtsmuskeln erstarrten, und das Willkommenslächeln auf seinem Gesicht versteinerte. Sie war eine von denen! Eine Besessene! Unter der gesunden, tief gebräunten Haut verbarg sich ein krankes, abgemagertes Kind, und die dunkle Kleidung verdeckte ein fleckiges T-Shirt, das ein halbes Dutzend Nummern zu groß war.
    Die beiden Bilder überlappten einander, wechselten sich gegenseitig immer wieder ab und waren fast nicht zu unterscheiden, verdeckt von einem Schleier, den Freya über seine Augen und seinen Geist zu legen trachtete. Die Wirklichkeit war abstoßend und widerlich. Er wollte sie nicht sehen, wollte die Wahrheit nicht wissen. Drei Zentimeter hinter seiner Stirn entstand ein rasender Kopfschmerz.
    »Ihr alle seid hier willkommen, Freya«, sagte er mit beträchtlicher Anstrengung. »Es muß schrecklich gewesen sein für dich in diesen letzten Wochen.«
    »Ja, es war schrecklich. Mami und Daddy wollten nicht mit mir reden. Ich habe mich Ewigkeiten im Dschungel versteckt und Beeren und andere Sachen gegessen, aber sie waren immer kalt. Manchmal habe ich einen Sayce gehört. Ich hatte soviel Angst.«
    »Hier gibt es keine Sayce, und wir haben reichlich warmes Essen.« Er ging am Bett entlang zu der Kommode unter dem Fenster, und jeder Schritt klang in dem stillen Raum wie ein dumpfes Poltern. Die Geräusche der Kinder draußen im Freien waren verklungen. Es gab jetzt nur noch Horst und Freya, sonst niemanden.
    »Vater?« fragte sie.
    »Was willst du hier?« flüsterte er mit schwerer Zunge und ihr zugewandtem Rücken. Er fürchtete sich davor, die Vorhänge zurückzuziehen. Vielleicht gab es draußen nichts mehr.
    »Es ist eine reine Gefälligkeit«, antwortete sie. Ihre Stimme klang mit einemmal tiefer, morbide und irgendwie atonal. »Auf dieser Welt gibt es keinen Platz mehr für Sie, Vater. Nicht so, wie Sie jetzt sind. Sie müssen sich verändern, einer von uns werden. Die Kinder werden eines nach dem anderen zu Ihnen kommen, wenn Sie nach ihnen rufen. Sie vertrauen Ihnen.«
    »Und dieses Vertrauen werde ich niemals enttäuschen!« Er wirbelte herum, die Bibel in der Hand. Das ledergebundene Buch, das seine Mutter ihm geschenkt hatte, als er zum Novizen ernannt worden war. Sie hatte ihm eine Widmung hineingeschrieben, und die schwarze Tinte war im Verlauf der Jahrzehnte zu einem wäßrigen Blau verblaßt.
    Freya blickte ihn milde überrascht an, dann schnarrte sie: »Oh, armer Vater! Brauchst du deine Krücke so sehr? Oder versteckst du dich hinter

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