Fehlfunktion
große Kampfspezialist saß auf der Bank vor Kelly und hatte die Schultern eingezogen, so daß sich sein großer, runder, dumpf glänzender Kopf auf gleicher Höhe mit dem ihren befand, und starrte ihr in die Augen.
»Tut mir leid«, erwiderte sie. Ihr war nicht bewußt gewesen, daß sie laut geredet hatte. »Das ist einfach verrückt, wissen Sie? Wir müßten in die entgegengesetzte Richtung, und zwar so schnell, als wäre der Teufel persönlich hinter uns her.«
»Das ganze Leben ist verrückt, Kelly. Aber lassen Sie sich deswegen bloß nicht daran hindern, es aus vollen Zügen zu genießen.« Er nahm seine kraftvollen Schultern wieder zurück.
»Das Problem ist, daß ich es ja gerne genießen würde – vorzugsweise noch einige Jahrzehnte.«
»Und warum sind Sie dann hergekommen?« fragte Ariadne. Sie saß neben Sal Young und steuerte das Hovercraft vermittels eines kleinen Joysticks.
»Dumm geboren, schätze ich.«
»Ich bin jetzt seit einem Jahrzehnt bei Reza«, sagte die weibliche Söldnerin. »Ich habe Greueltaten und Gewalt gesehen, die selbst Ihre sensationsgeile Nachrichtenagentur niemals dem breiten Publikum zugänglich machen würde. Wir haben es immer wieder zurück nach Hause geschafft. Reza ist der beste Anführer eines Kampftrupps, den Sie jemals sehen werden.«
»Auf einer normalen Mission vielleicht. Aber dieses verdammte Ding …« Sie hob den Arm und deutete in einer umfassenden Geste auf die rote Wolke und den düsteren Dschungel. »Werfen Sie doch nur einen Blick auf das da, um Himmels willen. Glauben Sie allen Ernstes, ein paar gutgezielte Maserschüsse aus dem Orbit würden reichen, um das dort außer Gefecht zu setzen? Wenn schon, dann brauchen wir die ganze verdammte Konföderierte Navy mitsamt jedem Gramm Antimaterie, das je konfisziert worden ist.«
»Trotzdem brauchen sie immer noch ein paar Koordinaten, wo sie die Antimaterie abwerfen sollen«, entgegnete Sal Young. »Die Navy müßte ihre Marines herschicken, wenn wir nicht schon da wären und die Scheiße schaufeln würden. Denken Sie doch nur an das Geld, das wir den Steuerzahlern der Konföderation ersparen.«
Neben Kelly brach Theo in ein helles Kichern aus. Er klingt sogar wie ein Affe, dachte sie.
»Normale Marines kämen mit dieser Situation nicht zurecht«, sagte Ariadne selbstbewußt, während sie das Hovercraft um einen Felsen herumsteuerte. »Man müßte schon die Ledernacken von Trafalgar einsetzen. Speziell aufgerüstete Truppen wie wir selbst.«
»Eine Bande von Nägelkauern, vollgepumpt mit Theorie und Drill«, sagte Sal Young verächtlich. Dann begannen die beiden einen lockeren Disput über die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Regimenter.
Kelly resignierte. Sie schaffte es einfach nicht, zu ihnen durchzudringen. Vielleicht war es das, was Söldner so anders machte, so faszinierend. Nicht allein die unglaubliche physische Aufrüstung, sondern das ganze Verhalten. Sie scherten sich wirklich einen Dreck um die Chancen, und sie warfen ihr Leben immer und immer wieder in die Waagschale. Daraus ließ sich daheim auf Tranquility bestimmt eine gute Nachfolgegeschichte machen: Interviews mit ehemaligen Söldnern; herausfinden, warum sie aufgehört hatten. Sie speicherte eine Notiz in ihrer neuralen Nanonik. So tun, als ob alles völlig normal sei. Den Verstand ablenken, damit er keine Zeit hatte für irgendwelche dummen Gedanken.
Weitere vierzig Minuten später erreichten die Hovercrafts den Quallheim River. Er war vier- oder fünfmal so breit wie der Zufluß, mehr als zweihundertfünfzig Meter. An beiden Ufern drängten sich mächtige Bäume, die in schiefen Winkeln über das Wasser hinaus lehnten. Luftwurzeln und dicke Vorhänge aus Ranken reichten bis in die Strömung. Der gesamte Fluß war von Schneelilien übersät, soweit das Auge reichte. Sie trieben unendlich langsam flußabwärts und verhakten sich immer wieder ineinander. Dort, wo der kleine Nebenfluß in den Quallheim mündete, hatten sie sich zu einer meterhohen weichen Düne aufgetürmt.
Der Kundschaftertrupp lenkte die Fahrzeuge flußaufwärts, nah am nördlichen Ufer und unter der Deckung der überhängenden Bäume. Reza schien sich mehr Sorgen darüber zu machen, ungeschützt der Wolke ausgesetzt zu sein, als möglichen Feinden am Ufer zu nahe zu kommen. Nachdem nichts mehr außer dem Teppich aus Schneelilien das Vorankommen behinderte und der Fluß vor ihnen lag wie eine leere weiße Autobahn, jagten die Hovercrafts bald mit
Weitere Kostenlose Bücher