Fehlfunktion
suchte, kamen freiwillig und in Scharen zu ihm. Wie Eisen von einem Magneten angezogen wird, dachte er, oder wie Fliegen von Scheiße. Er saß in einer Nische an der Wand und fühlte sich wie ein Zar aus vergangenen Zeiten, der hofhielt und Petitionen von seinen eifrigen Untertanen entgegennahm. Harkey’s Bar war voll mit Raumschiffsbesatzungen, die sich um Tische oder in kleinen Trauben an der Bar drängten. Auch eine Anzahl von für den Kampf aufgerüsteten Männern lungerte herum. Terrance Smith hatte noch nie zuvor Aufgerüstete gesehen, jedenfalls nicht in Fleisch und Blut – wenn man es so nennen konnte. Einige von ihnen sahen eher aus wie Kosmoniken, mit einer rauhen Außenhaut aus Silizium und doppelten – teilweise sogar dreifachen – Unterarmen: Sockeln, die für die Aufnahme von Waffen konzipiert waren. Doch die meisten sahen geschmeidiger aus als normale Kosmoniken, deren Technologie sie trotzdem übernommen hatten. Sie waren für Geschwindigkeit und Ausdauer geschaffen statt für die Arbeit im Vakuum und der Schwerelosigkeit. Trotzdem sah Terrance Smith auch einen Aufgerüsteten, der fast wie eine Kugel aussah; sein (ihr?) Kopf eine Kuppel, die ohne Hals auf dem Rumpf saß, mit einem um den gesamten Umfang verlaufenden Retinastreifen, ein körniges Kastanienbraun unter der transparenten Linse. Das Lid war ununterbrochen in Bewegung, wie ein umlaufendes Blinklicht einer alten Polizeisirene. Der Aufgerüstete besaß vier kurze Stummelbeine und vier Arme, die symmetrisch rings um den Rumpf angebracht waren. Die Arme waren noch das Menschenähnlichste des gesamten Erscheinungsbilds, denn nur zwei von ihnen endeten in blankpolierten Sockeln. Smith gab sich alle Mühe, die versammelte Menagerie des Grotesken nicht anzustarren und seine innere Nervosität nicht zu zeigen.
Die Atmosphäre in der Bar war gedämpft und erwartungsschwanger. Die Band hätte eigentlich schon längst auf der Bühne stehen und spielen müssen, doch an diesem Abend saßen die Jungs in der Küche und tranken. Sie trauerten einem geplatzten Engagement nach.
»Captain André Duchamp«, stellte Oliver Llewelyn vor. »Eigner der Villeneuve’s Revenge.«
Terrance Smith schüttelte dem grinsenden rundgesichtigen Captain die Hand. In Smith’ Geist regte sich ein widersprüchliches Gefühl angesichts der Tatsache, daß ein offensichtlich so umgänglicher Mann wie dieser Duchamp eine militärische Mission übernehmen wollte. »Ich brauche Raumschiffe, die imstande sind, eine Truppe von Scouts auf einer terrakompatiblen Welt zu landen und ihr anschließend mit taktischen Bodenangriffen Rückendeckung zu verschaffen«, sagte er.
André setzte sein Weinglas hart auf den Tisch. »Die Villeneuve’s Revenge verfügt über vier Röntgenlaser und zwei Elektronenstrahlkanonen, Sir!« sagte er. »Planetenbombardements aus einem niedrigen Orbit heraus stellen kein Problem dar.«
»Es könnte auch erforderlich werden, daß Sie Anti-Schiff-Manöver durchführen müssen«, fuhr Terrance Smith fort. »Abfangaufträge und Ähnliches.«
»Wie gesagt, Monsieur: auch das stellt meiner Ansicht nach kein Problem dar. Wir sind sogar mit Abschußrampen für Kombatwespen ausgerüstet. Allerdings müßten Sie selbst die Wespen stellen. Und es wäre einigermaßen beruhigend zu wissen, daß wir nicht in gesetzwidrige Aktionen in einem System verwickelt werden, in dem sich Schiffe der Konföderierten Navy aufhalten. Die Villeneuve’s Revenge ist als kommerzielles Frachtschiff zugelassen und besitzt keine Lizenz zum Führen derartiger Waffen.«
»Sie würden im Regierungsauftrag operieren, was Ihnen gestattet, so ziemlich jedes Waffensystem legitim zu führen. Diese gesamte Mission ist vollkommen legal.«
»Aha?« André Duchamp starrte Smith spöttisch an. »Das sind natürlich exzellente Neuigkeiten. Ein legaler Kampfauftrag ist mir sehr willkommen. Wie gesagt, ich habe keinerlei Bedenken, was Auseinandersetzungen mit anderen Schiffen betrifft. Dürfte ich erfahren, welche Regierung Sie repräsentieren?«
»Selbstverständlich. Ich handle im Auftrag der Regierung von Lalonde.«
André Duchamp schwieg ein paar Sekunden, während der Almanach in seiner neuralen Nanonik zutage förderte, was über das Sternensystem bekannt war. »Eine Koloniewelt der Entwicklungsstufe eins. Interessant.«
»Ich verhandle im Augenblick mit mehreren Raumfahrtkonzernen, die Stationen hier auf Tranquility unterhalten, um Kombatwespen zu kaufen«, sagte Terrance Smith.
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