Fehlfunktion
Würmer, glatte, schmierige Kreaturen, die sich in den Löchern seiner durchbohrten Haut ringelten und wanden. Blut sickerte aus den Wunden.
Anders stieß einen irren Schrei aus. Sie verweste unter ihm, ihr ganzer Körper zerfloß zu einem fauligen rötlichen Schleim, der klebte wie Leim und ihn an ihr festhielt. Der Gestank war unbeschreiblich und brannte in seinen Augen. Er übergab sich, und der Wein aus dem Tabitha Oasis ergoß sich über ihr zerschmelzendes Gesicht.
»Küß mich!«
Er strampelte und zappelte und weinte hilflos, und er betete zu einem Gott, an den er sich seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gewandt hatte. Die Würmer wanden sich zwischen seinen Unterleibsmuskeln und schlangen sich um die einzelnen Fasern. Blut und Eiter vermischten sich und bildeten einen so festen Leim, daß sie Bauch an Bauch zusammenklebten wie siamesische Zwillinge.
»Küß mich, Anders!«
Ihre freie Hand umfaßte seinen Hinterkopf. Sie fühlte sich an, als bestünde sie nur noch aus Knochen. Schleim troff in sein sorgfältig gepflegtes Haar.
»Nein!« winselte er.
Ihre Lippen waren weggeschmolzen wie Kerzenwachs und hatten einen weiten Schlund in der blasenwerfenden Fäulnis zurückgelassen, die ihr Gesicht war. Die Zähne erweckten den Eindruck, als grinste sie unablässig. Sein Kopf wurde heruntergedrückt. Er sah, wie sich ihre Zähne öffneten, dann wurden sie auf sein eigenes Gesicht gerammt.
Der Kuß. Heiße, schwarze, beißende Flüssigkeit schoß aus ihrer Kehle hoch. Anders konnte nicht einmal mehr schreien. Das Zeug war in seinem eigenen Mund und arbeitete sich durch seinen Schlund hinab wie eine fette, gierige Schlange.
Eine Stimme aus dem Nichts sagte: »Wir können es aufhalten.«
Die Flüssigkeit strömte in seine Lungen. Er konnte sie spüren, heiß und widerlich, wie sie sich ausbreitete und jede einzelne Körperhöhle ausfüllte. Sein Rippenkäfig wurde von dem Druck des Fremdkörpers nach außen gedrückt. Er hatte aufgehört sich zu wehren.
»Sie wird dich töten, wenn du uns nicht helfen läßt. Sie wird dich ersäufen.«
Er wollte atmen. Er wollte Luft. Er war bereit alles zu tun, um endlich wieder zu atmen. Alles.
»Dann laß uns herein.«
Er gehorchte.
Durch die sensitiven Zellen im Polyp über Anders Bospoorts Bett beobachtete Dariat, wie die Verletzungen und Symptome wieder verschwanden. Maries klebrige Haut wurde wieder hart, und die Stacheln zogen sich zurück. Die Wunden auf Anders’ Unterleib schlossen sich. Beide wurden wieder zu dem, was sie vorher gewesen waren: Satyr und Seraph. Anders betastete seinen Körper, und seine Hände fuhren über die Muskeln auf seiner Brust. Er blickte an sich herab mit einem kindlichen Ausdruck von Ehrfurcht, der rasch einem breiten Grinsen wich. »Ich bin wunderbar«, flüsterte er. »Absolut wunderbar!« Er sprach mit einem anderen Akzent als dem, den Dariat von Anders gewohnt war. Irgendwie seltsam. Dariat wußte nicht genau, wie er diesen unbekannten Akzent einordnen sollte.
»Ja«, antwortete sie gleichgültig. »Du siehst wirklich ganz gut aus.« Sie setzte sich auf. Das Bettlaken zeigte dort, wo sie mit dem Rücken gelegen hatte, einen schwachen rosafarbenen Fleck.
»Ich will mit dir schlafen.«
Sie verzog unentschlossen den Mund.
»Bitte. Du weißt, daß ich es nötig habe. Verdammt, es ist siebenhundert Jahre her! Zeig ein wenig Mitleid.«
»Also schön, meinetwegen.« Sie legte sich wieder zurück. Anders machte sich daran, sie am ganzen Körper abzulecken. Er erinnerte Dariat an einen gierigen Hund. Sie trieben es zwanzig Minuten miteinander, und Anders legte eine Leidenschaft an den Tag, den Dariat bisher noch in keinem seiner Sens-O-Vis-Filme gesehen hatte. Die elektrische Beleuchtung und Haushaltsgeräte spielten vollkommen verrückt, während Marie und Anders miteinander schliefen. Dariat überprüfte rasch die Nachbarwohnungen; ein Programmierer, der Stimulationsprogramme schrieb, brüllte vor Wut und Frustration, als seine Prozessorblöcke der Reihe nach abstürzten, die Zuchtgefäße eines Klonhändlers schäumten und kochten, als die Regler die empfindlichen Zellballen kochten, mit denen sie verbunden waren. Überall im Vestibül öffneten sich die Türen und knallten zu wie herabsausende Guillotinen. Dariat mußte hastig eine ganze Serie subversiver Befehle in die neuralen Zellen des Stockwerks eingeben, um die lokalen Subroutinen der Habitat-Persönlichkeit daran zu hindern, Rubras Hauptbewußtsein zu
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