Fehlschuss
gerufen!“
Achtundzwanzig
Susanne war
zufrieden. Zumindest mit der Polizeimaschinerie, die jetzt rund lief. Endlich!
Alles, was zwei Beine hatte und irgendwie abkömmlich war, arbeitete in der SOKO
Lautmann. Nach dem Anschlag auf Chris war plötzlich alles sehr schnell
gegangen. Leute wurden ihr zugeteilt, Zenker als zuständiger Staatsanwalt
bestellt. Sicher ein harter Hund, ein Kotzbrocken, aber auch einer, der sich
einen Dreck darum scherte, ob die Karrieren irgendwelcher Politiker bald
beendet sein würden oder nicht.
Wie diese andere Marschrichtung zustande gekommen war, konnte sie nur
ahnen. Wahrscheinlich war irgendjemandem da oben endlich aufgefallen, dass sie
es mit einem überaus gefährlichen Gewaltverbrecher zu tun hatten, nachdem es
nun beinahe ein drittes Opfer gegeben hätte. Oder aber es lag daran, dass
dieses dritte Opfer kein Fremder, sondern Doktor Christian Sprenger gewesen
war, ein Mitglied der eigenen Zunft sozusagen. Vielleicht war es auch eine
Mischung aus beidem. Na, egal. Es lief jetzt. Seit zwei Tagen lief es. Rein
äußerlich jedenfalls.
Geseke wurde einem regelrechten Verhörmarathon ausgesetzt, so lange,
bis sein Anwalt mit einer Beschwerde drohte. Weitergebracht hatte sie das
allerdings nicht. Geseke stritt immer noch jegliche Beteiligung an den Morden
ab.
Die Durchsuchung seiner Wohnung und der Geschäftsräume förderte jede
Menge Drogen zutage, aber nicht den geringsten Hinweis auf das Martyrium von
Inge Lautmann. Also fassten sie die Möglichkeit ins Auge, dass Geseke die
Wahrheit sagte und griffen die Ermittlungen wieder auf, die vor seiner
Verhaftung Priorität gehabt hatten.
Zenker nahm dabei keinerlei Rücksichten und ließ die Lautmann-Liste
schnell abarbeiten. Susanne war gespannt, wie lange es noch dauerte, bis die
Presse den fetten Braten roch.
Auf der Lauer lagen die Hyänen der Medien sowieso schon. Aas witterten
sie immer. Und die dürftige Pressekonferenz, die Zenker abgehalten hatte, trug
auch nicht gerade dazu bei, den Gestank zu vertreiben. Er hatte nur von einem
dritten Opfer gesprochen, das zurzeit nicht vernehmungsfähig sei und aus
„ermittlungstaktischen Gründen“ jede weitere Auskunft abgelehnt. — Wasser auf
die Mühlen der Journalisten.
Na, sollte sich Zenker mit ihnen rumschlagen. Sie und Hellwein waren
voll und ganz damit beschäftigt, das eingehende Material zu sichten, denn der
Berg von Ermittlungsprotokollen wurde immer höher. Die Alibis aus der
Lautmann-Liste und Gesekes privates und geschäftliches Umfeld waren die eine
Sache. Die andere Sache war, dass Zenker genau in die Richtung marschierte, die
auch Chris im Kopf herumspukte: Organisiertes Verbrechen. Also arbeiteten sie
übergreifend mit anderen Dezernaten zusammen, nahmen die Konkurrenten von
Brigitte Tönnessen unter die Lupe, beschäftigten sich mit Drogen- und
Menschenhandel und illegaler Prostitution.
Im Moment mischten ein paar Dutzend Beamte in Köln, Düsseldorf und
Bonn die ganze Szene auf. Zapften Informanten an, klagten alte Schulden ein,
die mit Hinweisen bezahlt wurden. Großrazzien waren in Vorbereitung, die
zeitgleich in den drei Städten stattfinden sollten.
Susanne war allerdings gar nicht sicher, ob bei all dem Aktionismus,
den der Staatsanwalt an den Tag legte, etwas herauskam. Sie vergaß auch
keineswegs die Suche nach persönlichen Motiven, die er zum „Nebenstrang“ der
Ermittlungen erklärt hatte. Und so fuhr sie am Freitag mit Hellwein zur
Beerdigung von Inge Lautmann. Vielleicht entdeckten sie ja die eine oder andere
Person, die ihnen noch nicht begegnet war in diesem Fall. Wie zufällig
schlenderten zeitgleich Klippstein und Müller über den Friedhof in Bad
Münstereifel. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Täter in einiger Entfernung
indirekt an der Trauerfeier teilnahm.
Natürlich war niemand, der verdächtig schien, in der Nähe. Aber
immerhin waren sie personell in der Lage, auch diese vage Möglichkeit ins Auge
zu fassen.
Das war die eine Seite der Medaille, die Susanne voller Zufriedenheit
auf ihre Leute schauen ließ, die wie ein Uhrwerk arbeiteten. Jedes Zahnrädchen
griff perfekt ins andere.
Die zweite Seite der Medaille war nur ein Gefühl. Ein Unbehagen, das
sie nicht in Worte fassen konnte, aber schon seit Tagen mit sich
herumschleppte. Und seit der Sache mit Chris nagte es erst recht an ihr. Als er
dann im Krankenhaus auch noch geäußert hatte, dass „irgendwas falsch läuft“,
wurde sie dieses seltsame Gefühl überhaupt nicht
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